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Was ist Geoengineering?

Welche Methoden gibt es? Und ist Geoengineering die Lösung für den Klimawandel?

Den Klimawandel gibt es und er ist menschengemacht – darüber besteht bereits seit Jahrzehnten Einigkeit in der Wissenschaft. Trotzdem kommen die Bemühungen, den Ausstoß von Treibhausgasen zu senken, nur schleppend voran. Und dass, obwohl die Folgen der globalen Erwärmung bereits heute deutlich zu spüren sind. Auf dem jetzigen Pfad steuert der Klimawandel auf einen Punkt zu, an dem es mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr ausreicht, nur die Verbrennung von fossilen Energieträgern zu stoppen. Aber hat die Menschheit überhaupt Möglichkeiten, auch an anderen Stellen Einfluss auf das Klima zu nehmen? Ja, hat sie. Zumindest in der Theorie. Technische Methoden, die genau darauf abzielen, werden unter dem Begriff „Geoengineering“ zusammengefasst. Aber was genau ist das eigentlich?

Dem Wortsinn nach ist Geoengineering „auf die Erde angewandte Ingenieurskunst“. Der Weltklimarat definiert Geoengineering als „eine breite Gruppe von Methoden und Technologien, die darauf abzielen, vorsätzlich das Klimasystem zu ändern, um die Folgen des Klimawandels abzumildern.“ (IPCC: Climate Change 2013: The Physical Science Basis. Annex III: Glossary).

Die verschiedenen Methoden und Technologien lassen sich dabei grob in zwei Gruppen einteilen:

Ansätze, die darauf abzielen, Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre zu entfernen, werden unter dem englischen Begriff „Carbon Dioxide Removal“ (kurz: CDR) zusammengefasst.

Ansätze mit dem Ziel, den Strahlungshaushalt der Erde zu beeinflussen werden hingegen als „Solar Radiation Management“ (kurz: SRM) bezeichnet.

Beide Vorgehensweisen verfolgen dabei die Zielsetzung, der globalen Erwärmung entgegenzuwirken, allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied in der Herangehensweise an das Problem: Durch Entfernung von Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre wird die Ursache des Klimawandels angegangen, während durch Beeinflussung des Strahlungshaushaltes lediglich die Symptome bekämpft werden.

Wie sieht Geoengineering in der Praxis aus?
 

Es gibt eine Vielzahl an Ideen und Konzepten zum Thema Geoengineering, die zum Teil auch schon im kleinen Maßstab erprobt wurden. Zu den am häufigsten genannten und am besten erforschten zählen:

Aufforstung (engl. „Afforestation and Reforestation“)
 

Idee: Auf derzeit unbewaldeten Flächen werden in großem Maßstab Bäume gepflanzt. Diese entziehen der Atmosphäre durch Photosynthese Kohlenstoffdioxid und speichern es in Form von Biomasse.

Vorteile: Die Idee ist leicht verständlich und ist im Grundsatz ein natürlicher Prozess. Auch die entstehenden Kosten und der Zeitaufwand sind vergleichsweise gering. Durch die Auswahl von für die jeweiligen Standortbedingungen geeigneten Baumarten und nachhaltige Waldbewirtschaftung kann zudem nicht nur ein Beitrag zum Klimaschutz, sondern auch zur Artenvielfalt geleistet werden.

Nachteile: Wenn die Bäume absterben oder verbrannt werden, wird ein Teil des gespeicherten Kohlenstoffdioxids wieder in die Atmosphäre abgegeben. Das bedeutet, dass die Methode nur dann effektiv ist, wenn regelmäßig in die natürlichen Stoffkreisläufe der aufgeforsteten Flächen eingegriffen wird. Der entstehende Wald ist somit nicht natürlich. Das geerntete Holz kann zudem nur eingeschränkt verwendet werden, da es weder Verwitterung ausgesetzt noch verbrannt werden darf. Ein weiteres Problem ist der Bedarf an fruchtbarem Boden. Schon um die gegenwärtigen globalen Emissionen zu kompensieren, werden riesige Flächen benötigt, wodurch unter anderem Konflikte mit der Landwirtschaft entstehen können.

Kohlenstoffdioxidabscheidung und –speicherung (engl. „Carbon Dioxide Capture and Storage“)
 

Idee: Durch spezielle technische Methoden wird Kohlenstoffdioxid aus industriellen Abgasen entfernt, noch bevor diese in die Atmosphäre gelangen. Alternativ wird Kohlenstoffdioxid direkt aus der Luft gefiltert („Direct Air Capture“). Das abgeschiedene Kohlenstoffdioxid wird anschließend in geologischen Formationen (z.B. erschöpfte Erdgasquellen) gespeichert.

Vorteile: Verschiedene Methoden werden in kleinerem Maßstab bereits eingesetzt. Durch Kombination mit Energieerzeugung aus Biomasse kann der Kohlenstoffdioxidgehalt der Atmosphäre unter dem Strich gesenkt werden.

Nachteile: Die Kohlenstoffdioxidabscheidung verringert den Wirkungsgrad von Kraftwerken, wodurch zur Erzeugung der gleichen Menge an Strom mehr Brennmaterial eingesetzt werden muss. Bei der Verpressung von Kohlenstoffdioxid in unterirdische Lagerstellen besteht die Gefahr der Verdrängung von Salzwasser aus tiefen Bodenschichten mit anschließender Versalzung oberflächennahen Grundwassers. Zudem erhöht die Verpressung die Wahrscheinlichkeit von schwachen Erdbeben im Speichergebiet, die dazu führen können, dass das gespeicherte Kohlenstoffdioxid durch in den unterirdischen Speichern entstehende Risse wieder in die Atmosphäre entweicht.

Injektion von Aerosolen in die Stratosphäre (engl. „Stratospheric Aerosol Injection“)
 

Idee: In der Stratosphäre werden mit Artilleriegeschützen, Flugzeugen oder Ballons Aerosole ausgebracht, wodurch weniger Sonnenlicht den Erdboden erreicht.

Vorteile: Die Methode ist eine Nachahmung eines natürlich auftretenden Phänomens. Unter anderem durch Vulkanausbrüche gelangen auch auf natürliche Weise gelegentlich große Mengen an Aerosolen in die Atmosphäre, weshalb die globalen Auswirkungen verhältnismäßig gut erforscht sind. Zudem sind die zum Einsatz der Methode benötigte Technologie und Infrastruktur größtenteils bereits vorhanden und die gewünschte Wirkung kann graduell aufgebaut werden.

Nachteile: In Abhängigkeit vom verwendeten Aerosol können Ozonlöcher erzeugt werden und es besteht die Gefahr von saurem Regen. Darüber hinaus ist eine Beeinflussung der globalen Verteilung von Niederschlägen wahrscheinlich. Da weniger Sonnenlicht bis zur Erdoberfläche durchdringt, sinkt zudem die Photosyntheseaktivität biologischer Systeme und die Effizienz von Photovoltaikanlagen wird reduziert.

Erhöhung der Reflektivität der Wolkendecke (engl. „Marine Cloud Brightening“)
 

Idee: Durch Injektion von Salzwassertröpfchen in niedrige Atmosphärenschichten werden über den Ozeanen mehr und stärker reflektierende Wolken erzeugt. Dadurch wird weniger Sonnenlicht absorbiert, was eine Abkühlung der Meere und in der Folge auch eine Abkühlung der Atmosphäre bewirkt.

Vorteile: Durch natürliche Strömungen und Wechselwirkungen zwischen den Ozeanen und der Atmosphäre kann durch Wolkenerzeugung über einem begrenzten und unbewohnten Gebiet eine Reduktion der globalen Durchschnittstemperatur erreicht werden. Nach entsprechender Umrüstung kann die Methode unter Verwendung bereits existierender Schiffe umgesetzt werden. Besonders gefährdete marine Lebensräume können durch gezielte Wolkenerzeugung gezielt geschützt werden.

Nachteile: Eine veränderte Wolkenbedeckung über den Ozeanen hat Einfluss auf die Photosyntheseaktivität mariner Organismen und die Verdunstung von Meerwasser. Dadurch werden wiederum die Biomasseproduktion in marinen Ökosystemen und die globalen Niederschlagsmuster beeinflusst. Die Rolle von Wolken für den Klimawandel ist noch nicht umfassend verstanden und die benötigte Technologie steckt noch in den Kinderschuhen.

Veränderung der Reflektivität der Erdoberfläche (engl. „Earth Albedo Change“)
 

Idee: Straßen, Gebäude und weitere menschengemachte Strukturen werden flächendeckend mit helleren Oberflächen versehen, um die Reflektivität der Erdoberfläche künstlich zu erhöhen.

Vorteile: Die Methode erfordert kaum technologische Entwicklungsarbeit. Zudem ist die Wirksamkeit im kleinen Maßstab bereits belegt: In der spanischen Provinz Almería konnte in den vergangenen 25 Jahren ein Absinken der Temperaturen um 0,3 °C pro Jahrzehnt beobachtet werden, während die Temperaturen im restlichen Spanien um 0,5 °C pro Jahrzehnt gestiegen sind. Der Grund dafür: Über 31.000 Hektar der Provinz sind von Treibhäusern aus stark reflektierendem Plastik bedeckt.

Nachteile: Um einen globalen Effekt zu erzielen, müssen Flächen in der Größenordnung von 10 Millionen Quadratkilometern (ungefähr dreißigmal die Fläche von Deutschland) weiß gestrichen werden. Zudem sind die Auswirkungen auf Wettermuster und Ökosysteme bisher kaum erforscht.

Sonnenschilde im Weltraum (engl. „Space-based Solar Shields“)
 

Idee: Eine große Anzahl an Raumsonden wird zwischen Sonne und Erde platziert, um einen Teil der Sonnenstrahlung abzufangen.

Vorteile: Bei Verwendung von steuerbaren Raumsonden kann der Beschattungseffekt von der Erde aus aktiv kontrolliert und variiert werden. Zudem werden für diese Methode vergleichsweise geringe Nebenwirkungen erwartet.

Nachteile: Um eine ausreichende Beschattung zu erreichen, müssen unzählige Raumsonden in den Weltraum gebracht werden, was eine große Menge an klimaschädlichen Raketenstarts erfordert. Darüber hinaus steht ein Großteil der zur Umsetzung der Methode benötigten Technologie heute noch gar nicht zur Verfügung und die geschätzten Kosten sind astronomisch. Zudem hat auch die Beschattung der Erde aus dem Weltall den unerwünschten Nebeneffekt, dass sie die Kohlenstofffixierung durch Photosynthese und die Effizienz von Solaranlagen herabsetzt.

Das Ziel, den Kohlenstoffdioxidgehalt der Atmosphäre zu senken (Carbon Dioxide Removal, CDR) verfolgen dabei nur die beiden erstgenannten Methoden, die übrigen Konzepte zielen darauf ab, die globale Erwärmung durch Beeinflussung der Sonneneinstrahlung aufzuhalten (Solar Radiation Management, SRM). Alle Konzepte haben allerdings gemeinsam, dass sie einen massiven Eingriff in das hochkomplexe System Erde darstellen, bei dem längst nicht alle Risiken im Vorfeld abgeschätzt werden können. Eine besondere Gefahr stellt dabei die plötzliche Beendigung der Geoengineeringmaßnahmen dar. In diesem Fall würde der unverändert hohe oder in der Zwischenzeit sogar noch gestiegene Treibhausgasgehalt der Atmosphäre zu einem schlagartigen Temperaturanstieg führen, der katastrophale Auswirkungen auf die Ökosysteme der Erde hätte. Hinzu kommt, dass eine Verringerung der globalen Durchschnittstemperatur durch Geoengineering nicht mit einer weltweiten Verbesserung der Lebensbedingungen gleichzusetzen ist. Alle Geoengineeringkonzepte bergen die Gefahr, bestimmte Regionen der Erde negativ zu beeinflussen, während andere stark vom Einsatz der Methoden profitieren.

Ist Geoengineering die Lösung für den Klimawandel?
 

Das Problem Klimawandel kann nur gelöst werden, wenn der natürliche Kohlenstoffkreislauf wieder ins Gleichgewicht kommt. Derzeit verbrennen wir mit den fossilen Brennstoffen organisches Material, in dem atmosphärische Kohlenstoffdioxid aus geologischer Vorzeit gespeichert ist. Unter dem Strich nimmt die Menge an Kohlenstoff auf der Erde dadurch weder zu noch ab, allerdings wird der Atmosphäre in einer kurzen Zeitspanne wesentlich mehr Kohlenstoffdioxid zugeführt als auf natürliche Weise wieder aus ihr entfernt wird. Dadurch steigt der Kohlenstoffdioxidgehalt der Atmosphäre immer weiter an – mit bekannten Folgen. Die globale Erwärmung kann somit nur nachhaltig aufgehalten werden, wenn die Menschheit ihre Treibhausgasemissionen drastisch reduziert. Geoengineering kann allenfalls dazu dienen, die Überschreitung von Kippelementen im Klimasystem zu verhindern und die Folgen des bereits in Gang gesetzten Klimawandels abzumildern. Wünschenswert ist der Einsatz von Geoengineering aufgrund der vielfältigen Risiken nicht, aber vielleicht gibt es irgendwann schlichtweg keine Alternative mehr.

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