Seit dem 1. November 2021 hat das OHB-Tochterunternehmen OHB Digital Solutions im österreichischen Graz einen neuen Geschäftsführer: Bernhard Czar wird das Unternehmen aus dem OHB-Geschäftsbereich Digital als neuer CEO in die Zukunft begleiten. Der 51-Jährige bringt 25 Jahre Berufserfahrung und Führungsverantwortung im Bereich Business Development und Ingenieurswesen mit. An der Spitze der OHB Digital Solutions möchte er neue Wege beschreiten. Im Interview spricht der gebürtige Linzer und langjährige Wahl-Grazer über die Potentiale des Unternehmens und seine Idee eines „customerzentrischen Weltbildes“.
Glückwunsch zur neuen Position. Sie sind für die OHB Digital Solutions ein guter Bekannter, richtig?
Bernhard Czar: Die Kolleg:innen hier in Graz und auch in Wien kennen mich tatsächlich schon seit einigen Monaten. Ich habe im August als Chief Operating Officer begonnen und dann ging es ziemlich schnell mit der Beförderung. Es war für mich überraschend, aber ich freue mich sehr auf die Aufgabe, gemeinsam mit unserem 17 Männern und Frauen starken Team, die Produkte der Digital Solutions noch breiter auf dem Markt zu platzieren. Diese Firma hat in den letzten Jahren eine starke Entwicklung hingelegt. Das soll so weitergehen.
Welche Produkte haben das größte Potenzial?
Ich sehe hier in erster Linie zwei Anwendungen wo wir unser Know-how und unsere Expertise direkt in Kundennutzen umsetzen können: Das ist einerseits GNSS-Qualitätssicherung und andererseits GNSS-Signalsimulation/-generation. Ein GNSS-Signal kann relativ einfach gestört werden und es gibt immer mehr Applikationen, die sich auf GNSS-Signale verlassen. Und da kommt unser GIDAS® ins Spiel. Das Gerät kann eine GNSS-Störung, also eine Störung des Navigationssignals, feststellen. So kann es beispielsweise auf Flughäfen zum Einsatz kommen und für mehr Sicherheit sorgen. Leider gibt es immer wieder Störungen durch Interferenzen bei Start- und Landevorgängen. Unser GIDAS überwacht die GNSS-Frequenzbänder und erkennt beabsichtigte oder unbeabsichtigte Interferenzen. Weil GIDAS mögliche Störungen in Echtzeit detektieren kann, ist eine Anwendung im Bereich des autonomen Fahrens möglich. So könnten Systeme in Echtzeit feststellen, wie zuverlässig die empfangenen GNSS-Signale sind oder ob ihr Navigationssystem einer Störung unterliegt. Das Fahrzeug würde automatisch Maßnahmen einleiten wie beispielsweise die Geschwindigkeit drosseln und auf manuellen Betrieb umschalten. Gerade in diesem Bereich des autonomen Fahrens sehe ich noch viele Möglichkeiten: Dort wollen wir nicht nur das komplette Gerät, sondern auch die Softwarelösung separat vermarkten. Auch Drohnen, kritische Infrastruktur und Systeme, die sich auf satellitengestützte Zeitinformation verlassen, sind potentielle Märkte für GNSS-Qualitätssicherung.
Das klingt nach einer tollen Zukunftsvision. Hat die OHB DS noch mehr davon in petto?
Selbstverständlich. Im Bereich Signalsimulation/-generation haben wir ein weiteres Produkt mit Potential - es heißt GIPSIE-RTX. Es ist ein vollwertiger GNSS-Signalgenerator mit Echtzeit-Streaming-Funktionalität und besteht aus einem hochwertigen Signalsimulator als Hardware-Plattform und einer flexiblen und leistungsfähigen GNSS-Simulationsumgebung. GNSS-Simulatoren sind bei der Entwicklung von GNSS-Empfängern ein wichtiges Hilfsmittel. GIPSIE-RTX simuliert beliebige Satellitenbahnen mit einem ausgeklügelten Orbit-Integrator und ist in der Lage, alle Fehlerquellen, Verzögerungen und Ausbreitungseffekte zu modellieren. Die Simulatoren erzeugen die gleichen Signale, die auch von den echten GNSS-Satelliten übertragen werden. Dadurch können die Empfänger unter kontrollierten Laborbedingungen auf ihre Funktion überprüft werden. Auch für den Produktionstest von GNSS-Empfängern benötigt man solche Simulationen. Hier wollen wir nicht nur den Simulator, sondern auch die Simulation verkaufen. So bekommt der Kunde eine auf sein Produkt maßgeschneiderte Simulation als Muster, das er in sein Testsystem einspielen kann. Auch Auftragssimulationen wollen wir anbieten. Es geht ja darum, den Kunden die Lösungen anzubieten, die sie wirklich brauchen. Oder anders formuliert: Wenn es im Baumarkt Löcher in der Wand zu kaufen gäbe, würde der Heimwerkermarkt für Bohrmaschinen zusammenbrechen.
Oh ja, das ist naheliegend. Der Kunde ist also König?
Der Kunde ist der Mittelpunkt all unserer Bestrebungen. Ich lebe ein customerzentrisches Weltbild. Auch wenn unsere Produkte und Leistungen einzigartig sind, müssen wir unsere Zielkunden täglich davon überzeugen, dass sich der Kauf des betreffenden Produkts lohnt und besser ist, als die Lösung des Mitbewerbers. Es ist wichtig, den Kunden und seine Anforderungen genau zu kennen. Wir müssen uns regelmäßig fragen: „Welchen Nutzen bringt unser Produkt oder unsere Leistung dem Kunden?“ Außerdem brauchen wir eine schlüssige Antwort auf die Frage „Warum soll der Kunde bei uns kaufen?“
Dafür braucht es sicherlich ein starkes Team, das dieses Weltbild ebenfalls lebt – wird sich die OHB Digital Solutions vergrößern?
Dafür setze ich mich definitiv ein. Ich bin überzeugt, dass wir noch mehr motivierte Kolleg:innen brauchen, um unsere Wachstumsziele erreichen zu können.
Was ist Ihnen als Führungskraft besonders wichtig?
Auf Glaubwürdigkeit nach innen und außen lege ich besonderen Wert. Ich möchte Vorbild sein. Als Führungskraft kann man nur das fordern, was man auch bereit ist, selbst zu leisten. Außerdem geht es mir um eine offene und ehrliche Kommunikation, zu der auch ein wertschätzender Umgang mit konstruktiver Kritik gehört.
Haben Sie ein Lebensmotto?
Richte deinen Fokus auf die Lösung, nicht auf das Problem. Sei offen für alles und gehe vorurteilsfrei durchs Leben. Und: Bleib neugierig. Es gibt jeden Tag etwas Neues zu entdecken. Man darf die ingenieureigene Neugier nicht verlieren.
Und was macht ein neuer CEO in seiner Freizeit?
Das, was er vor der Beförderung schon gerne tat. Ich arbeite gerne im Garten und liebe es, Wege und Stützmauern zu betonieren. Ich habe eine eigene Mischmaschine - sehr zur Freude der Nachbarn. (lacht) Das ist ein schöner Ausgleich zur geistigen Arbeit im Büro. Na, und als Österreicher muss ich im Winter selbstverständlich auch Skifahren.