Über unseren Köpfen ist ganz schön viel los, denn im Orbit wird es immer voller. Ausgediente Satelliten, Raketenoberstufen und Co. ziehen dort ihre Bahnen. Weltraumschrott wird zunehmend zur Herausforderung für die Branche. Die OHB Tochter LuxSpace arbeitet an einem Produkt für Mikrosatelliten, dem DragSail „DoWn!“, mit dem Satelliten nach Ende ihrer Mission schneller in die Erdatmosphäre gebracht werden sollen, um dort zu verglühen. Florio Dalla Vedova, Head of Technology Development bei LuxSpace, spricht im Interview über die Innovation “Made in Luxembourg”.
Weltraumschrott wird ein immer größeres Problem. Und jetzt kommt LuxSpace mit einer Lösung um die Ecke …?
Florio Dalla Vedova: So sieht es aus! Natürlich raten wir unseren Kunden generell bei allen technischen und ökonomischen Entscheidungen die Vermeidung von Weltraumschrott im Hinterkopf zu behalten. So kann man beispielsweise Material wählen, welches leichter verglüht. Aber wir bieten auch die Sofort-Lösung: Wir haben ein DragSail mit dem Namen „DoWn!“ entwickelt. DoWn! steht für Deorbit Wing und ermöglicht es, den damit ausgestatteten Satelliten nach Ende seiner Missionszeit schneller in die Erdatmosphäre zu „segeln“ – er benötigt also keinen eigenen Antrieb. Ein kleines DoWn! haben wir bereits mit einem halben Quadratmeter großen Segel zum Technology Readiness Level 7 entwickelt. Aktuell planen wir den großen Bruder. Er soll ein stattliches, eineinhalb Quadratmeter großes Segel beinhalten.
Interessant … und was macht ein DragSail?
Ein DragSail ist quasi ein Bremssegel, das an den Satelliten montiert wird und im Weltraum in der Phase F, dem Disposal/De-Orbiting, also die Phase nach Missionsende, zum Einsatz kommt. Das DragSail kann sich auf Kommando blitzschnell entfalten. Ein dünnes Segel spannt sich dann auf. Während der Satellit vorher in seiner Umlaufbahn seine Bahnen zog, steigt mit geöffnetem Segel der Luftwiderstand an, und so stürzt der Satellit in weniger als 25 Jahren ab und verglüht. Die 25-Jahre-Deadline ist auch im Rahmen der ISO 24113 zur Vermeidung von Weltraumschrott vorgegeben. DoWn! besitzt eine dreieckige Oberfläche, wenn es entfaltet ist. Unser Vorbild fanden wir in der Natur: so haben Schmetterlingsflügel entfaltet auch ein „dreieckige“ Form. Und das Beste: ein DoWn! können wir auf sehr kleiner Fläche verstauen, nämlich in einem Rohr mit den Abmessungen 5x5x30 Zentimeter.
Erkläre uns das bitte noch mal genauer …
DragSails nutzen den atmosphärischen Luftwiderstand, um den Mikrosatelliten zu bremsen und so seine Umlaufbahn bis zum Wiedereintritt zu verkleinern. Ähnlich wie bei einem Fallschirm kann ein größerer freiliegender DragSail den Bremsvorgang verstärken, d.h. hier die Zeit bis zum Wiedereintritt verkürzen. Je nach Bedarf können mehrere DoWn! DragSails einfach auf dem Mikrosatelliten installiert werden, um eine größtmögliche Fläche zu bieten. Nach dem Einsatz des DragSails benötigt der ausgediente Mikrosatellit keine Steuerung vom Boden mehr und kann vollständig abgeschaltet werden.
Super Sache! Aber wer übernimmt die Kosten für das Projekt?
Die Entwicklung von DoWn! haben wir durch unsere Entwicklungsabteilung Research, Technology Development & Innovation (RTDI) bei LuxSpace realisiert. Dabei haben uns seit 2008 verschiedene Partner unterstützt. Wir haben aus den Programmen „Sails Made in Luxembourg“, „Solar Sails Materials“ der ESA, „Hollistic Approach to De-orbiting/Re-entry“ der EU, „Large Deployable Antenna Systems“ der ESA und LuxImpulse), „DragCOL“ der ESA und „DragSails Guidance, Navigation and Control“ der ESA, Förderungen erhalten. Dafür sind wir sehr dankbar. Die Kosten für die Beschaffung und Installation (mehrerer) DoWn! zahlt dann allerdings der jeweilige Kunde.
Ist es realistisch, dass wir Weltraumschrott bald vermeiden können?
Für eine nachhaltige Zukunft im Weltraum ist es wichtig, dass wir bei der Entwicklung eines Raumfahrtzeugs auch gleich dessen Entsorgungslösung planen. DragSails wie DoWn! sind dafür eine einfache und kostenschonende Möglichkeit.