Die Nachricht, dass unser langjähriger Vorstand und geschätzter Freund, Dipl.-Ing. Ulrich Schulz, am 17. März 2023 nach kurzer Krankheit im Alter von nur 72 Jahren in Calgary verstorben ist, kam überraschend und völlig unerwartet. Wir sind traurig und verabschieden uns hier von einem besonderen Menschen, dessen Name wie kaum ein anderer mit OHB verbunden ist.
Denn bereits 1982 kreuzten sich unsere Wege. Uli wollte der Liebe wegen von Wiesbaden nach Bremen umsiedeln und hörte von großer Aufbruchstimmung in einer kleinen Hydraulikwerkstatt namens OHB, die wir gerade frisch übernommen hatten.
Er zweifelte zwar kurz, weil er die Firma zunächst nicht finden konnte und auch vom Anblick der „kleinen Klitsche“ wenig beeindruckt war, aber nachdem wir mit ihm über unsere Visionen und Pläne gesprochen hatten, hängte er kurzerhand seinen sicheren Job an den Nagel und stürzte sich mit uns ins Abenteuer OHB.
Die Möglichkeit, immer neue Sachen machen zu können, überzeugte Uli. Dass er ein sehr aufgeschlossener und abenteuerlustiger Mensch war, zeigte sich mehrfach im Laufe seines ereignisreichen Lebens.
Uli war unser erster Ingenieur und fing als Leiter der Entwicklung und Konstruktion an. Gleich sein erstes Projekt verlangte ihm viel Neues ab, denn die Materie war ein Ölbekämpfungsschiff. Uli beschrieb das in einem Interview mal so: „Das war schon eine wilde Zeit. Ich kam als junger Luftfahrtingenieur nach Bremen und sollte plötzlich ein Schiff ausrüsten. Ich wusste lediglich, dass die schwimmen, hatte ansonsten keine Ahnung vom Schiffbau.“ Genau das waren die Herausforderungen, die Uli suchte und die ihn zu Höchstleistungen antrieben.
Vier Wochen lebte er quasi auf diesem Schiff, kroch herum und verfolgte Rohrleitungen, um das ganze System zu verstehen. Im Endergebnis entwickelte er mit seinem kleinen Team einen hydraulischen Fahrantrieb, der universell umschaltbar auch andere Systeme an Bord steuern konnte. Das fertige Schiff wurde 1984 vom Stapel gelassen und ist noch heute erfolgreich im Einsatz.
Neues erkunden, entdecken, erfinden war sowohl die Devise für uns als auch für Uli. 1985 kam sein erstes Raumfahrtprojekt: eine Zentrifuge für das Raumlabor Spacelab, mit der Blut- und Urinproben untersucht werden sollten. Gefragt war ein funktionsfähiges Muster für nur 100.000 DM, das auch schon die Qualifikation mitbringen sollte. Die Zeit bis zur Ablieferung war knapp. Und wieder lief Uli zur Höchstform auf: „Wir kauften eine herkömmliche Zentrifuge mit Eieruhr aus der Medizintechnik für 900 DM und machten sie raumfahrttauglich. Der Motor wurde neu gewickelt, veraltete Elektronik auf Displaytechnik umgerüstet. Im Gegensatz zu anderen ‚etablierten und namhaften‘ großen Mitbewerbern haben wir eine voll funktionsfähige Zentrifuge abgeliefert.“
Ein weiteres Raumfahrtprojekt, für das Uli die Leitung übernahm, war der Quirl-Tank. Er diente dazu, Flüssigkeiten und Gase verschiedener Dichte durch Zentrifugalkraft und Mikro-g-Bedingungen zu trennen. Dazu wurden spezielle Rotoren entwickelt, die im amerikanischen Raumfahrtzentrum Houston/Texas bei Parabelflügen erfolgreich für den Weltraumeinsatz qualifiziert wurden.
Am Rande des Geschehens nutzten Uli Schulz und Manfred Fuchs die Wartezeit, um das erste Organigramm von OHB zu skizzieren. In diesem Organigramm stieg Uli im Jahre 1988 zum Direktor für Entwicklung auf. In diese Ära fielen Projektarbeiten an dem Raumgleiter FALKE und die Verantwortung für die Entwicklung, den Bau und Betrieb der ersten OHB-Kleinsatelliten wie z.B. SAFIR. Gute zehn Jahre hatte er diesen Posten inne, bevor neue Ideen ihn zu neuen Aufgaben riefen.
1996 wurde er Geschäftsführer der OHB Teledata, die sich um die Nutzung von Weltraumtechnologien kümmerte. 2001 ging das Unternehmen an die Börse. Ulrich Schulz war als CTO für Produktentwicklung und Kundenservice mit dabei. Seit 2002 war Uli, der Mann der ersten Stunde, Chief Operating Officer Technology der OHB SE und damit verantwortlich für die technische Kooperation der OHB-Unternehmen, für Fusionen, für Produktentwicklungen und Services für die Industrie. An seinem bodenständigen Wesen hat sein Aufstieg nie etwas geändert.
Er hat OHB von Anbeginn wesentlich mitgestaltet. Seine offene, aufgeschlossene, analytische und pragmatische Art machten ihn beruflich zu einem geschätzten Allrounder und menschlich zu einem beliebten und angenehmen Gesprächspartner, Berater und Freund. Er liebte neue Aufgaben und fand Lösungen und Wege dafür, sie erfolgreich umzusetzen.
Selbst privat betrat Ulrich Schulz gerne Neuland. Seinen Altersitz hatte er sich mit seiner Familie in Kanada bereits früh eingerichtet. Doch an Ruhestand dachte der Familienvater nicht. Er gründete das unabhängige Weltraumunternehmen NexusSpace mit uns als Technologiepartner und arbeitete bis zum Schluss unermüdlich an der Entwicklung eines Erdbeobachtungssystems, das Umweltveränderungen überwachen und Emissionen weltweit zeitnah erkennen, messen und quantifizieren sollte.
Wir werden das Andenken dieses besonderen Menschen ehrend bewahren. Uli ist uns bereits ans Herz gewachsen, als er 1982 die kleine Garageneinfahrt in Richtung Werkstatt entlangkam und sich mit uns mutig, aufgeschlossen und hemdsärmelig auf das Abenteuer OHB eingelassen hat.
Wir werden ihn sehr vermissen!