Pipelines verlaufen häufig durch dünn besiedelte Gebiete – Satelliten können dabei helfen, Lecks zu finden. © Pixabay

Promovieren bei OHB: Entdeckung von Pipeline-Lecks mit Satellitendaten und KI

Methan ist nach Kohlenstoffdioxid das zweitbedeutsamste Treibhausgas. Zwar enthält die Atmosphäre deutlich weniger Methan als Kohlenstoffdioxid (1,9 ppm gegenüber 421 ppm), trotzdem ist es für etwa ein Drittel der derzeitigen globalen Erwärmung verantwortlich. Mit seiner Doktorarbeit trägt OHB-Mitarbeiter Enno Tiemann dazu bei, menschengemachte Methanemissionen vom All aus besser sichtbar und quantifizierbar zu machen.

Natürliche Quellen für Methan sind vor allem Sümpfe und Feuchtgebiete. Deren Emissionen sind aber nur für gut dreißig Prozent des Methans in der Atmosphäre verantwortlich. Der Rest entsteht durch menschliche Aktivitäten. Zu den größten anthropogenen Quellen zählen die Landwirtschaft (vor allem Viehzucht und Reisanbau), Mülldeponien und der Energiesektor.

Da Methan mit nur etwa 10 Jahren vergleichsweise kurz in der Atmosphäre verweilt, lassen sich durch Einsparung von Methanemissionen in Bezug auf die globale Erwärmung schnell messbare Effekte erzielen.

Ein erster Schritt auf diesem Weg ist die Verringerung der Methanemissionen im Energiesektor. Dort gelangt Methan vor allem bei der Förderung von Erdgas und Erdöl durch kontrolliert zugelassenen Austritt (Ablassen oder Abfackeln) und durch Pipelinelecks oder -störungen in die Atmosphäre.  Die EU hat deshalb kürzlich strengere Vorschriften zur Überwachung und Meldung von Methanemissionen verabschiedet.

Erdbeobachtungssatelliten machen Methanwolken sichtbare

Dabei können Satellitendaten helfen. Satelliten haben die Erde 24/7 im Blick und können Pipeline-Lecks auch in abgelegenen und schwer zugänglichen Gebieten entdecken. Trotzdem ist die Entdeckung von Methanquellen alles andere als einfach und auch die Menge des austretenden Gases kann häufig nur grob geschätzt werden. Das liegt unter anderem daran, dass sich bisher nur wenige Satelliten im All befinden, die gezielt zur Detektion von Methan entwickelt wurden. Zwar können diverse Erdbeobachtungssatelliten quasi nebenbei auch Methan detektieren, allerdings reichen die räumliche und spektrale Auflösung sowie die Aufnahmefrequenz der Bilder oft nicht aus, um die entscheidende Frage zu beantworten: Tritt irgendwo aus menschengemachten Strukturen Methan aus? Und wenn ja: Wo genau und wie viel?

Mit genau diesem Problem beschäftigt sich Enno Tiemann in seiner Doktorarbeit, die vom ESA Φ-lab gefördert und von der OHB Digital Connect in Zusammenarbeit mit der TU München betreut wird. Die OHB Digital Connect ist innerhalb der OHB-Gruppe Experte für das Thema Datenverarbeitung und Bildauswertung und leitet den Competence Hub für Themen rund um KI und Big Data. Ziel der Arbeit ist es, Methoden des maschinellen Lernens zu nutzen, um Zeitreihendaten verschiedener aktiver Satelliten – in erster Linie Copernicus Sentinel-2 und Landsat 8/9 – mit Informationen zu Windrichtung und -geschwindigkeit zu kombinieren und dadurch anthropogene Methanemissionen früher zu erkennen und genauer zu quantifizieren.

Entwicklung von Algorithmen zur Automatisierung der Methandetektion

"Derzeit ist die Methanerkennung in der Regel auf Experten angewiesen, die Erdbeobachtungsdaten manuell prüfen. Dabei wird die Ausdehnung einer Methanwolke zur Bestimmung der Emissionsrate verwendet – meistens mit einem hohen Grad an Unsicherheit", erklärt Enno Tiemann. "Das Vorgehen basiert oft auf einem kaskadenartigen Ansatz von groben hin zu feineren Auflösungen oder es wird KI eingesetzt, um Methan in Bildern einzelner Satelliten zu erkennen. Beide Vorgehensweisen benötigen aber immer noch eine menschliche Analyse. Wir möchten deshalb Algorithmen entwickeln, die von Anfang an Daten aus verschiedenen Quellen fusionieren, um die automatisierte Erkennung zu verbessern und die Unsicherheiten für die Emissionsraten zu verringern."

Durch das Projekt wird grundlegendes Wissen im Bereich der Nutzung von Satellitenbildern in Verbindung mit Wetterdaten aufgebaut. Die Kombination von Daten aus verschiedenen Quellen mithilfe von Datenfusion und maschinellem Lernen erlaubt es der Wissenschaft, neue Erkenntnisse mit bestehenden Satelliten zu gewinnen. Dadurch verschiedenste neue Anwendungen erschlossen werden – unter anderen in den Bereichen Umwelt- und Infrastrukturmonitoring, Stadtplanung und Sicherheit.