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Eine Kolumne von Marco Fuchs: Gedanken über Zeit und Raum

Der Mond ist vor allem aus Forschungssicht ein spannendes Ziel

Es macht Sinn, bald zum mond zurückzukehren

19. Juli 2019. Ich muss gestehen, dass ich mich nicht mehr so ganz genau an den 20. Juli 1969 erinnern kann. Damals war ich schließlich erst sieben Jahre alt. Die Bilder, die damals um die Welt gingen, kenne ich allerdings sehr genau: mein Vater, der in dieser Zeit als Raumfahrt-Ingenieur beim Airbus-Vorläufer ERNO gearbeitet hat, hat mir die Landung der Apollo-11-Mondfähre „Eagle“ gezeigt. Er war vom Mond schon immer fasziniert – und diese Faszination hat sich durch ihn in unserer Familie fortgepflanzt. Es ist deshalb auch kein Zufall, dass unser großer Veranstaltungssaal in der OHB-Firmenzentrale „Luna“ heißt und in ihm ein rund zwei Meter großes Modell des Mondes steht.

Wenn Sie noch mehr Belege mehr für die Mondbegeisterung meines Vaters wünschen: zum 70. Geburtstag hat die OHB-Belegschaft meinem Vater ein 1000 Quadratmeter großes Grundstück auf dem Mond geschenkt. Kurz nach seinem Tod haben wir im Oktober 2014 aus eigenen Mitteln eine kleine Sonde in Erinnerung an ihn mit der chinesischen Mission Chang’e 5-T1 zum Mond geschickt. Unsere Firma in Luxemburg, LuxSpace, hat das ganz toll gemacht! Diese 14 kg schwere sekundäre Nutzlast war kein bezahlter Auftrag, sondern die weltweit erste privatfinanzierte Mondmission! Sie hatte zwei kleine wissenschaftliche Instrumente an Bord. Übrigens ist auch die erste europäische Raumsonde zum Mond überhaupt, die ESA-Mission SMART-1 (Start am 27.9.2003, Einschlag auf dem Mond 3.9.2006), von einem unserer Teams, den Ingenieuren der heutigen OHB Sweden (damals SSC), realisiert worden.

Mit Mondflügen macht man absehbar sicher keinen Profit

Ich habe die Begeisterung meines Vaters für unseren Erdtrabanten immer geteilt – und bin auch überzeugt, dass es sehr viel Sinn macht, bald zum Mond zurückzukehren. Allerdings weniger, um damit kommerzielle Ziele zu verfolgen. Mit Mondflügen macht man absehbar sicher keinen Profit. Zum Mond fliegt man derzeit noch aus ideellen oder Prestigegründen – vor allem aber, um die neuen technologischen Möglichkeiten für wissenschaftliche Erkenntnisse zu nutzen.

Ich bin deshalb überzeugt, dass es auf dem Mond darauf ankommt, sinnvolle wissenschaftliche Anwendungen einzusetzen. Wenn die Menschen jemals eine längere Zeit auf dem Mond verbringen wollen, müssen wir zunächst die Voraussetzungen dafür schaffen. Wir müssen also nützliche Geräte auf den Mond bringen, damit man dauerhaft dort bleiben kann: Etwa 3D-Drucker, um Baumaterialien für Habitate, herzustellen. Darin könnten Pflanzen für die Lebensmittelversorgung gezüchtet werden. Auch Vorrichtungen, um Wasser und Sauerstoff aufzubereiten werden nötig sein.

Der Overview-Effekt darf nicht unterschätzt werden

Wir beschäftigen uns derzeit sehr viel mit der Frage, was eine Rückkehr zum Mond für die Erde beziehungsweise die Menschheit künftig bedeuten könnte. Viele träumen von neuen Siedlungen auf dem Mond, manche sprechen davon, den Mond als Quelle für Ressourcen zu nutzen, wieder andere sehen die Rückseite des Mondes schon als eine Startrampe für künftige Reisen zu noch weiter entfernten stellaren Außenposten der Menschheit. Bei aller Begeisterung für die Themen der Exploration im All: lassen Sie uns vernünftig und rational bleiben. Der Mond ist meiner Meinung nach zunächst einmal deshalb für die Menschheit wichtig und wertvoll, weil er zum Erde-Mond-System gehört und man von dort aus die Erde in Gänze sehen kann. Dieser sogenannte Overview-Effekt darf nicht unterschätzt werden – gerade in diesen Zeiten nicht, in denen eine ganze Generation junger Menschen auf die Gefahren des Klimawandels und der Umweltzerstörung aufmerksam macht. Diese Haltung in der Gesellschaft wird es umso wichtiger machen, weiter mit den Mitteln der Satellitentechnologie auf die Erde zu blicken und die bedrohlichen Veränderungen genau zu beobachten. Das Bewusstsein dafür ist in den Jahren nach den ersten Apollo-Missionen erst entstanden.

Dass wir auf dem Mond siedeln werden – also in Form eines dauerhaften Wohnsitzes – kann ich mir sobald nicht vorstellen; zumindest nicht in den nächsten Jahrzehnten. Zunächst wird es auf dem Mond ähnlich ablaufen, wie hier auf der Erde am Südpol. Es werden Forschungsstationen aufgebaut werden, in denen Menschen über die Jahre immer länger bleiben werden. Am Ende könnte es dann ein ganzes Netz solcher Stationen geben. Ich kann mir auch sehr gut vorstellen, dass das geplante Lunar Gateway – also die Raumstation, die künftig um den Mond kreisen soll – der Hub ist, von dem aus Forscher auf die Mondoberfläche ab- und aufsteigen. Dass der Mond als Startrampe für Reisen zum Mars genutzt werden könnte, kann ich mir ebenfalls gut vorstellen. Ich glaube jedoch nicht daran, dass der Mars irgendwann als Ort dienen wird, an dem Menschen wirklich dauerhaft leben werden. Bevor der Mars durch von Menschen gemachte Infrastruktur (oder auch durch Terraforming …) lebenswerter wird als unsere Erde, muss hier wirklich viel kaputtgehen.

Der Mond ist eine Möglichkeit, die Entstehung der Erde besser nachzuvollziehen

Zunächst sollten wir uns also auf das Naheliegende konzentrieren, den Mond. Dort gibt es noch sehr viel für die Menschen zu entdecken. Der Mond ist ja so etwas wie ein Guckloch in die 4,6 Milliarden Jahre alte Vergangenheit der Erde. Sehr früh in seiner Geschichte ist nach der Überzeugung der Wissenschaft ein riesiger Meteorit auf die Erde aufgeschlagen und hat Teile ins All geschleudert – daraus ist der Mond entstanden. Da es auf dem Mond weder Erosion noch Atmosphäre gibt, ist die Ursubstanz der Erde mit dem Mond sozusagen eingefroren worden. Für die Wissenschaft ist der Mond also eine Möglichkeit, die Entstehung der Erde besser nachvollziehen zu können. Meiner Meinung nach wird es also in den kommenden Jahren erstmal darum gehen, sehr spezielle wissenschaftliche Geräte auf den Mond zu transportieren – und anschließend die Voraussetzungen zu schaffen, um Forschungsstationen für Wissenschaftler aufzubauen.

Astronauten zum Mond zu bringen bleibt übrigens auch heute noch eine gewaltige Herausforderung, die sehr viel Geld kosten wird. Das Apollo-Programm ist nicht zuletzt wegen der hohen Kosten vorzeitig eingestellt worden. Damals kam die Anstrengung zum Erliegen, weil sich das Land das nicht mehr leisten konnte und wollte. Wenn US-Präsident Donald Trump also heute ankündigt, bis 2024 wieder Amerikaner auf den Mond zu schicken, wird es auch darum gehen, die Kosten in einem für die Gesellschaft akzeptablen Rahmen zu halten. In den 60er Jahren war das nur möglich, weil es damals in den Zeiten des Kalten Kriegs um das Prestige ging. Die Amerikaner wollten im Kampf der beiden großen Blöcke die Nase vorn behalten. Heute ist die Situation eine andere. Hohe Ausgaben für Raumfahrtmissionen werden nur noch dann akzeptiert werden, wenn Staaten oder Institutionen den Nutzen dafür gut erklären können. Meiner Meinung nach ist die Beantwortung der Frage, wie die Welt entstanden ist und auf welche Weise unser wundersames Leben auf der Erde entstanden ist, eine derartige Investition wert.


Zur Person

Marco Fuchs (Jahrgang 1962) studierte Rechtswissenschaften in Berlin, Hamburg und New York. Von 1992 bis 1995 arbeitete er als Anwalt in New York und Frankfurt am Main. 1995 trat er in das Unternehmen OHB ein, das seine Eltern aufgebaut hatten. Seit dem Jahr 2000 ist er Vorstandsvorsitzender der jetzigen OHB SE und seit 2011 der OHB System AG. Marco Fuchs ist verheiratet und hat zwei Kinder.


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