14. Juni 2018. Ich gebe zu, dass ich wirklich begeistert bin, welche Wirkung auch der zweite Aufenthalt des deutschen Astronauten Alexander Gerst auf der ISS in der breiten Öffentlichkeit hat. Auf seinem Twitter-Account folgen ihm bereits sagenhafte 1,2 Millionen Menschen. Es hat in dieser Woche schon eine Live-Pressekonferenz von „Astro-Alex“ gegeben, in der er von der nicht nachlassenden Faszination berichtet hat, die Erde aus einer Höhe von rund 400 Kilometern zu sehen.
Die Distanz zur erde schafft eine nähe zu uns selbst
Auch auf mich hat die Vorstellung, aus dem All auf die Erde zu blicken schon immer einen großen Reiz ausgeübt. Ich kenne einige Astronauten persönlich und in den Gesprächen mit ihnen hat mich immer interessiert, was diese ungewohnte Perspektive in ihnen ausgelöst hat. Im Grunde berichten alle von ähnlichen Wirkungen: erst der Blick aus dem All auf die Erde hat jedem von ihnen wirklich bewusst gemacht, wie einzigartig, wunderschön und gleichzeitig verletzlich unser Planet ist. Es erscheint aus hunderten Kilometern Entfernung kaum vorstellbar, dass die scheinbar nur papierdünne Atmosphäre der Erde das Einzige ist, das uns Menschen unterhalb dieser Hülle vor dem sicheren Tod bewahrt. Auf der anderen Seite ist es deshalb für viele Astronauten im Nachhinein auch nur schwer zu begreifen, wie sorglos wir Menschen auf der Erde oft mit diesem kostbaren Gut umgehen.
Ich stelle mir die Erfahrung einer solchen Perspektive deshalb als zutiefst philosophisch vor. Denn schließlich blicken wir aus einem Raumschiff plötzlich auf uns zurück. Erst die Distanz zur Erde schafft eine ganz intensive Nähe zu uns selbst. Der Apollo-14-Astronaut Edgar Mitchell, der 1971 als sechster Mensch den Mond betrat, beschrieb den Eindruck seiner Reise ins All so: „Mir wurde klar, dass ich aus denselben Partikeln und Atomen bestehe, wie die Objekte, die ich außerhalb unseres Raumschiffs gesehen habe. Ich bin also auch nichts anderes als Sternenstaub.“ Dieser „Overview“ genannte Effekt geht zurück auf die Besatzung von Apollo 8, die auf ihrer Reise in den Weltraum 1968 erstmals die Kamera auf die Erde gerichtet hat. Zum ersten Mal konnte die Menschheit einen Blick auf diese blaue Kugel inmitten einer sonst überwiegend schwarzen Unendlichkeit werfen.
Es würde mich schon reizen, diese Erfahrung einmal selbst zu machen.
Es würde mich schon reizen, diese Erfahrung einmal selbst zu machen. Unglücklicherweise bin ich nun jedoch schon etwas in die Jahre gekommen und sicher nicht mehr fit genug, um mich als Nachfolger von Alexander Gerst zu empfehlen. Aber wer weiß: möglicherweise haben die Bemühungen diverser privater Unternehmen ja bald Erfolg, in naher Zukunft Reisen ins All zu bezahlbaren Preisen anzubieten und den Weltraumtourismus als neuen Wirtschaftszweig zu begründen. Dann würde ich es mir auf jeden Fall überlegen, als Tourist in den Weltraum zu fliegen.
Bis es soweit ist, glaube ich jedoch weiter daran, dass die Beschreibungen von Astronauten wie Alexander Gerst einen wichtigen Beitrag dazu leisten können, den Nutzen der Raumfahrt auch einer breiten Öffentlichkeit zu verdeutlichen. Und damit meine ich in diesem Zusammenhang weit mehr als den rein wissenschaftlich-technologischen Nutzen der Raumfahrt, der meiner Meinung nach übrigens noch immer unterschätzt wird. Denn dieser Blick aus dem All, der bei Astronauten die angesprochenen philosophisch-religiösen Wirkungen entfaltet, wird mittels Satellitentechnologie ebenfalls immer eindrücklicher. Vor allem die künftige Satellitengeneration der europäischen Copernicus-Erdbeobachtungsmission wird in der Lage sein, aus der Distanz Erkenntnisse zu liefern, die die Erde möglicherweise davor bewahrt, von der Menschheit zugrunde gerichtet zu werden. Der Name der Satelliten der Copernicus-Missionen lautet deshalb treffend „Sentinels“, auf Deutsch: „Wächter“.
Raumfahrtbegeisterung macht Schule: OHB geht Kooperation mit Gymnasium ein
Ich halte es weiter für sehr wichtig, dass diejenigen, die das Glück hatten, die Erde vom All aus sehen zu dürfen, anderen davon berichten. Vor allem Kindern. Deshalb bin ich sehr froh, dass Alexander Gerst in Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) sehr viel mit und an Schulen zu dem Thema macht. Klassen, in denen Astronauten von ihren Erfahrungen im All berichtet haben, weisen einen höheren Anteil an Schülerinnen und Schülern auf, die sich auf MINT-Fächer spezialisieren. Auch wir von OHB bemühen uns, junge Menschen für die Raumfahrt zu begeistern. Hier in Bremen werden wir ab dem kommenden Schuljahr eine sehr enge Kooperation mit einem Gymnasium eingehen und die Schule dabei im Bereich Raumfahrt, zum Beispiel mit von unseren Ingenieurinnen und Ingenieuren gestalteten Schulstunden, unterstützen.
Ganz besonders freuen würde es mich natürlich, wenn ich Alexander Gerst nach seiner Horizon-Mission für einem Besuch in eben dieser Schule begeistern könnte…
Zur Person
Marco Fuchs (Jahrgang 1962) studierte Rechtswissenschaften in Berlin, Hamburg und New York. Von 1992 bis 1995 arbeitete er als Anwalt in New York und Frankfurt am Main. 1995 trat er in das Unternehmen OHB ein, das seine Eltern aufgebaut hatten. Seit dem Jahr 2000 ist er Vorstandsvorsitzender der jetzigen OHB SE und seit 2011 der OHB System AG. Marco Fuchs ist verheiratet und hat zwei Kinder.