MT Aerospace kann auf langjährige Erfahrung und Weiterentwicklung im Bereich Wasserstofftechnologie zurückblicken. Wie kam es dazu, Herr Schullerer?
Günther Schullerer: Korrekterweise sind es 50 Jahre. Die Ursprünge liegen bei unserer Vorläuferorganisation MAN-Technologie und dem Start des Ariane 1 Programms. Das Thema Wasserstoff steht also schon seit fünf Jahrzehnten in Verbindung mit MT Aerospace. Der eigentliche Schatz der MTA sind hier aber die Personen, die dieses Thema vorangebracht und tatsächlich den Produktbezug zur Wasserstofftechnologie, in Form der kryogenen Launcher-Tankstrukturen, hergestellt haben.
Wie hat MT Aerospace die Erfahrungen im Bereich Wasserstofftechnologie aufgebaut und worin liegt die Expertise?
GS: Das DLR (Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt) hatte schon früh ein großes Interesse am Thema Wasserstofftechnologie und daran, dass die deutsche Launcher-Industrie in der Raumfahrt intensiv zusammenarbeitet. Der Wunsch war, die Wasserstoff-Community in Deutschland entsprechend zu stärken. Letztlich hat es dazu geführt, dass MTA an großen kyrogenen Testkampagnen beteiligt war. Dies gab uns die Chance, einen aktiven Part zu spielen und eine fundierte Expertise aufzubauen.
Zu Wasser, zu Land und in der Luft: Wasserstofftechnologie kommt in der Luftfahrt, im maritimen Sektor, im Transportwesen und in der Infrastruktur zum Einsatz. Können Sie uns mehr darüber erzählen?
GS: Auf dem Wasserstoffmarkt herrscht mittlerweile ein richtiger Hype. Wasserstofftechnologie wird jetzt mit allen neuen Formen der Mobilität verknüpft. Man geht davon aus, und ich teile diese Ansicht, dass die Form zukünftiger Mobilität durch den Wasserstoff völlig revolutioniert wird. Daher ist es möglich, zwischen Anwendungen im Bereich Mobilität Luftfahrt, maritimem Sektor und Transport Synergien herzustellen. Wir können hier also bewusst sämtliche Grenzen überwinden, die typischerweise von den einzelnen Märkten in der Vergangenheit gesetzt wurden. Hier ist zu beachten, dass in den entsprechenden Märkten, etwa Luftfahrt oder maritim, gewisse Standards typisch sind. Letztendlich versetzt uns aber die reine Physik und unsere langjährige Kompetenz in die Lage, Lösungen für elektrische Antriebssysteme, basierend auf Wasserstoff anbieten zu können.
Herr Staudt, wie schätzen Sie als Vertriebsprofi den Wasserstoffmarkt für MT Aerospace ein?
MS: Die politischen Rahmenbedingungen, die geopolitischen Veränderungen sowie der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen tragen wesentlich dazu bei, dass wir einen enormen Bedarf an grünem Wasserstoff haben werden.
In der Zukunft geht es darum, wie wir den grünen Wasserstoff in Mobilitäts- und auch Infrastrukturanwendungen nutzen können. Vor allem in der Mobilität sehen wir für die MT eine hohe Beitragsfähigkeit. Bereits in 2012 haben wir mit einem großen Automobilhersteller einen ersten Hochdrucktank für Wasserstoff entwickelt und erfolgreich getestet.
Heute befinden wir uns mit strategischen Partnern in konkreten Forschungs- und Entwicklungsprogrammen und entwickeln u.a. für Luftfahrtanwendungen Wasserstoffspeicher- und Versorgungssysteme, die wir nach erfolgreicher Zulassung skalierend auf verschiedene Produktklassen in den Markt bringen werden.
Bei welchen aktuellen Projekten auf dem Wasserstoffmarkt ist MT Aerospace beteiligt?
GS: Wir beobachten, dass sich die großen Player in den industriellen Sektoren intensiv mit dem Thema Wasserstoff beschäftigen. Wasserstoff war in den letzten Jahren durchaus so ein technologisches Betätigungsfeld unter dem Deckmantel „Dekarbonisierung“, ohne dass dort wirklich ein relevanter Druck zu verspüren war.
Aktuell sind wir in verschiedenen Projekten mit internationalen Partnern involviert. Primär geht es um alle Formen der e-Mobilität und deren Skalierung in anderen Sektoren.
Es geht aber auch um die Nutzung von Synergien, welche sich aus der Lösung zukünftiger Mobilitätsfragen ergeben. Hier sind besonders Infrastrukturlösungen zu verstehen, welche sich mit Kenntnis der funktionalen Zusammenhänge eines elektrischen Antriebssystems zur Erzeugung von elektrischer Energie und Vortrieb entwickeln lassen. Darunter wäre z.B. die dezentrale Energieerzeugung im kommunalen Bereich zu verstehen. Deshalb kann Luftfahrt durchaus ein Inkubator für die Beschleunigung der Infrastruktur im Bereich Flüssigwasserstoff sein.
In Norddeutschland sind bereits Cluster im Bereich Luftfahrt und Infrastruktur entstanden. Auch im maritimen Sektor wird H2 als synergetisches Element bereits mit Mobilität durch Flüssigwasserstoff in Verbindung gebracht.
MT Aerospace ist hier wirklich in ein Gebiet mit großem Potential vorgedrungen. Das betrifft sowohl die Befriedigung der Mobilitätsbedarfe einzelner Menschen als auch die Erfüllung der Anforderungen in der Energieversorgung von Kommunen, Städten, Regionen bzw. Industrien.
Welche Produkte kommen für MT Aerospace in Betracht, Herr Schullerer?
GS: Die eigentliche DNA von MT Aerospace ist der Flüssigwasserstofftank. Es ist exakt dieses Produkt, das die MT seit 50 Jahren erfolgreich in den Launcher-Markt als WorkShare einbringt und es ist unsere ausgewiesene Expertise. Jetzt haben wir die Chance, dieses Produkt in ein System weiterzuentwickeln und damit in den Bereich der Energieversorgung vorzudringen: ausgehend vom LH2-Tank, bis hin zum geregelten Wasserstoffversorgungssystem für Brennstoffzellen.
In welchen Marktsegmenten liegen aus Ihrer Sicht die größten Perspektiven?
MS: Aufgrund unserer hohen Entwicklungs- und Fertigungsexpertise, sehen wir für uns die größten Opportunitäten im Leichtbau und somit in Mobilitätsanwendungen.
Welche neuen Projekte oder Kooperationen stehen an? Können Sie uns mehr darüber verraten, Herr Schullerer?
GS: Es ist jetzt wichtig, mit vielen potentiellen Kunden zu sprechen. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass die Stringenz in den Mitteln der Lösung noch nie so klar war wie heute. Diese Erkenntnis resultiert aus den Gesprächen mit potentiellen Kunden aus den Bereichen Luftfahrt, maritim, Bahn, Straßentransport. Die Konvergenz in den technischen Lösungen, die aus den unterschiedlichen Märkten fokussiert werden, zeigen einen starken Trend zur Verwendung von Flüssigwasserstoff (LH2), was wiederum unmittelbar der DNA von MTA entspricht.
Wir können daher zuversichtlich sein, dass wir mit der angebotenen Technologie viele Türen in neue Märkte öffnen können.
Eine letzte Frage noch an Sie beide: Was fasziniert Sie persönlich an der Wasserstofftechnologie?
GS: Mich fasziniert nicht so sehr die Wasserstofftechnologie selbst, sondern was man damit erreichen kann. Das geht einher mit dem Bewusstsein, dass unser tägliches Handeln und Entscheiden und die dadurch verursachten Konsequenzen inzwischen für alle sichtbar sind. Wenn Städte in ihren Abgasen ersticken und Traumstrände von Ölkatastrophen heimgesucht werden, dann wird deutlich, was der Mensch letztlich der Erde zumutet. Wenn Wasserstoff eine Lösung ist, dieses Risiko zu reduzieren, bin ich der größte Freund von Wasserstoff. Wenn ich das zu einem Bestandteil meines beruflichen Lebens machen kann als jemand, der mit 17 Jahren von Frederic Vester „Neuland des Denkens“ inspiriert worden ist, dann bin auf dem für mich richtigen Weg angekommen.
MS: Wir haben beim Thema Wasserstoff eine einzigartige Möglichkeit, zukünftige H2 Speicher und Versorgungstechnologien zu entwickeln und in konkrete Produkte und Anwendungen zu bringen. Kunden aus USA und Europa fragen nach unserer Wasserstoffexpertise und wir wissen, dass wir aktuell eine Menge an Know-how bieten können, das macht uns alle im H2 Team stolz und hoch motiviert. Es gibt aber auch eine gesellschaftspolitische Aufgabe, die Welt für Morgen und für unsere Kinder zu erhalten.
Mein persönlicher Ansporn ist es, Teil dieser technologischen Entwicklung und des H2 Teams zu sein, den globalen H2 Markt für die MTA mit zu entwickeln und damit einen Beitrag für eine strategische Ausrichtung der MTA und eine nachhaltige Zukunft zu leisten.
Herr Schullerer, Herr Staudt, wir danken Ihnen für das Gespräch!
Zu den Personen:
Günther Schullerer (GS) ist bereits seit 2001 bei MT Aerospace. Seit 2013 leitet er den Bereich Engineering. Er studierte Bauingenieurwesen mit Schwerpunkt konstruktivem Ingenieurbau. Im Anschluss promovierte er auf dem Gebiet numerische Simulation von Faserkunststoffverbunden. Er liebt Berge, Skifahren, Geschichte und Kunst.
Markus Staudt (MS) begann seine berufliche Laufbahn bei der Bundeswehr als Offizier und ist diplomierter Volkswirt. Er blickt auf fast 20 Jahre Erfahrung in der Sicherheits-, Verteidigungs- und Luftfahrtindustrie zurück. 2015 startete er bei MT Aerospace im Bereich „Business Development & Sales“. Privat verbringt Herr Staudt viel Zeit in den Bergen beim Wandern und Skifahren mit seiner Familie.