Darmstadt/Bremen – Die OHB System AG, ein Tochterunternehmen des Bremer Raumfahrt- und Technologiekonzern OHB SE, hat heute mit der Europäischen Weltraumagentur ESA den Vertrag für eine Studie zur satellitengestützten Beobachtung von Wetterphänomenen im All unterschrieben. Die Studie „Lagrange-Mission“ wurde im Rahmen des ESA-Programms „Space Situational Awareness“ ausgeschrieben. Das Auftragsvolumen liegt bei 3,3 Mio. EUR. Die OHB System AG führt dabei eine von zwei parallelen Studien. Das Bremer Unternehmen wird dabei Untersuchungen für eine Mission zum „Lagrange-Punkt 5“ durchführen. Er liegt rund 150 Mio. Kilometer von der Erde entfernt.
Derzeit wird die Weltraumumgebung im Umfeld der Erde größtenteils durch bodengestüzte Systeme überwacht. So werden zum Beispiel Raumfahrtrückstände wie „Weltraumschrott“ mit Radarsystemen und Teleskopen beobachtet und katalogisiert. Ähnlich ist dies auch bei der Überwachung von „Space Weather Effects“, also Weltraum-Wetterphänomenen im All – auch sie werden von der Erdoberfläche aus beobachtet.
Die Sonne steht dabei besonders im Fokus, weil sie als Zentralgestirn des Sonnensystems maßgeblichen Einfluss auf die Erdumgebung hat. Viele Effekte lassen sich jedoch deutlich besser direkt im Weltraum messen, etwa durch Satelliten. Es gibt Satelliten für diesen Zweck, zum Beispiel die ESA-NASA Sonde „SOHO“. Sie ist sind jedoch bereits sehr alt und müssen bald ersetzt werden.
„Die Aktivitäten der Sonne haben enorme Auswirkungen auf Satelliten und können auch die Infrastruktur auf der Erde beeinflussen“, sagt Marc Scheper, Studienleiter bei der OHB System AG. „So können etwa hochenergetische Partikel von der Sonne nicht nur die sensible Elektronik von Satelliten beschädigen, sondern auch Telekommunikations- und Stromnetze auf der Erde beeinträchtigen. Bei extremen Ereignissen kann es sogar zu großflächigen Stromausfällen kommen. Die ESA plant deshalb gemeinsam mit der NASA eine Satellitenkonstellation zur Beobachtung der Sonne aufzubauen. Wir freuen uns sehr über den Studienauftrag zum Lagrange-Punkt und arbeiten hart an dem Ziel, am Ende auch den Auftrag für den Satelliten zu erhalten“.
Durch die Satellitenkonstellation würde sich die Vorwarnzeit für Space Weather Effects von derzeit einigen Stunden auf vier bis fünf Tage ausdehnen. Insgesamt würde die Technologie Auflösung, Qualität und Geschwindigkeit der Beobachtungen der Sonne deutlich erhöhen. „Diese Mission ist ein Paradebeispiel dafür, wie der Nutzen der Raumfahrt in der Öffentlichkeit deutlich gemacht werden kann“, sagt Andreas Lindenthal, Vorstandsmitglied der OHB System AG. „Jährlich wird durch diese Space Weather Effects ein Schaden in Milliardenhöhe an Satelliten und terrestrischer Infrastruktur verursacht. Ein solches System würde deshalb nicht nur volkswirtschaftlich, sondern auch betriebswirtschaftlich sehr viel Nutzen stiften. Wir sind sehr froh, dass wir in diesem enorm bedeutenden Zukunftsbereich sehr früh eine führende Position einnehmen können. OHB hat sich zudem durch seine vorangegangenen Studien zu Thema ‚Space Weather Missionen’ und auch Studien zur Ablenkung von Asteroiden bereits intensiv mit ähnlichen Themen im Bereich ‚Space Situational Awareness‘ auseinandergesetzt. Darüber hinaus können wir durch unsere Beiträge zu der nächsten Generation europäischer Wettersatelliten im MTG Programm bereits viel Erfahrung mit ähnlichen Satelliten vorweisen und zukunftsweisende Lösungen anbieten.“
"Wir haben großes Vertrauen, dass uns die Kompetenz der europäischen Raumfahrtindustrie dabei helfen wird, die nötige Infrastruktur für das ESA-Programm Space Situational Awareness aufzubauen," sagt Jan Wörner, ESA-Generaldirektor. "Verträge für Studien über eine zukünftige Space Weather Mission sind ein wichtiger Schritt, um im Bemühen voranzukommen, Bedrohungen von Gesellschaft und Wirtschaft wirksam zu bekämpfen.“
Im Rahmen der Lagrange-Mission hat die ESA noch zwei weitere Studien in Auftrag gegeben, um die dazu nötigen Instrumente bestimmen zu können. Die OHB System AG ist an einer dieser beiden Studien als Unterauftragnehmer mit dem Instrument „Magnetometer“ beteiligt. Es misst das Magnetfeld zwischen Erde und Sonne in drei Dimensionen rund um den Satelliten.
Die Lagrange-Mission ist nach dem italienischen Astronomen und Mathematiker Joseph-Louis Lagrange benannt, der im 18. Jahrhundert lebte. Lagrange hat fünf Punkte in der Erdbahn um die Sonne definiert, in denen sich zwischen den beiden Himmelskörpern die Schwerkräfte ausgleichen. Dadurch können Raumsonden an diesen Stellen scheinbar „verharren“. Der Lagrange-Punkt 5, für den OHB nun eine Sonde entwirft durchführt, liegt 60 Grad hinter der Erde und gilt trotz seiner gewaltigen Entfernung zur Erde als besonders stabil.
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