Herr Dr. Königsmann, Exploration des Weltraums – brauchen wir das überhaupt?
Dr. Hans-Jörg Königsmann: Das ist wahrlich keine leichte Frage. Wir brauchen Nahrung, Schlaf, Luft, Wasser, Wärme. Ich denke, wir benötigen aber auch langfristige Aufgaben, die unsere Neugier und Intelligenz herausfordern. Exploration dient dazu, den Forschergeist der Menschen am Leben zu erhalten. Die Menschheit möchte verstehen, wie die Welt und das Universum um uns herum funktionieren und welchen Sinn wir Menschen darin haben. Schließlich ist der Weltraum das größte Rätsel, das wir noch zu ergründen suchen, und in vielerlei Aspekten faszinierend. Es geht den Forschern unter anderem um Fragen wie: Gibt es Leben auf anderen Planeten? Wie ist das Universum entstanden? Wie sehen andere Welten aus? Exploration beantwortet einige dieser Fragen und stellt gleichzeitig immer wieder neue. Wir müssen daran glauben, dass es wichtige und relevante Erkenntnisse da draußen gibt.
Dann werden wir eines Tages auf dem Mars leben?
Ich hoffe schon, mit dem Zusatz eines Tages „auch“ auf dem Mars leben. Es wird dauern, bis ein Leben dort möglich ist. Vorher wird aber sicher schon ein Mensch dem Mars einen kurzen Besuch abstatten. Ich bin davon überzeugt, dass sich das Leben auf dem Mars extrem von dem auf der Erde unterscheiden wird. Vielleicht werden wir ihn auch nur zur Rettung der Spezies Mensch nutzen – quasi als Arche Noah. Und vielleicht wird das auch nur der Anfang sein. Und aller Anfang ist schwer.
Mars, Venus oder der Mond – wenn Sie zu einem dieser Planeten eine Pauschalreise buchen könnten, welcher wäre es?
Definitiv zum Mars. Dort haben wir weniger Schwerkraft, eine Reisezeit, die sich mit eineinhalb Jahren überblicken lässt, und vielleicht gibt es dort ja Eis und Schnee zum „Skifahren“. Die Venus ist mir zu heiß und ihre Atmosphäre ist noch schlimmer als die des Mars. Der Mond wäre für mich ein interessantes, alternatives Ziel. Vielleicht gibt es ja bald Pauschalreisen, die Mond und Mars kombinieren, sozusagen als Kreuzfahrt? Das wäre für mich eine sehr interessante Reiseroute.
Wann werden wir die ersten kommerziellen Raumstationen auf anderen Planeten vorfinden, und wie werden sie zukünftige Explorationsmissionen beeinflussen?
Mit so einer Schätzung kann man nie richtigliegen. Zunächst müssen wir durch wiederverwendbare Raketen einen kostengünstigen Transport realisieren. Wenn wir uns eines Tages außerdem effektiv gegen die Strahlenbelastung im Weltall schützen und geschlossene Systeme zur Lebenserhaltung bauen können, wird diese Vision sicher Realität. Gerade der letzte Aspekt ist interessant. Wie sollen wir auf einer Raumstation ohne Wasser und Sauerstoff leben? Da ist eine höchst nachhaltige Lösung gefordert, von der wir sicher viel für das Leben auf der Erde lernen können. Sagen wir mal so: Ich hoffe, dass ich das noch erleben kann. Ich bin Jahrgang 1963.
Das Zeitalter der Raumfahrt begann mit Explorationsthemen. In den 1960er Jahren haben die USA und Russland extrem viele Ressourcen für den Wettlauf zum Mond bereitgestellt. Können wir mit dem Artemis-Programm der USA an diese Zeit anknüpfen?
Der Wettlauf der Nationen in den 60er Jahren war sehr politisch motiviert. Die Lage ist nun eine andere. Dennoch: Das Artemis-Programm der NASA möchte wieder Menschen zum Mond bringen und dort Technologieerprobungen für künftige Reisen zum Mars durchführen. Im Unterschied zu den 60ern haben wir jetzt eine Kooperation zwischen mehreren Nationen und mit langfristigen Zielen. Rückblickend finde ich es immer wieder interessant, wie viel Fortschritt in den 60ern gemacht wurde. Ich hoffe, dass wir daran mit Artemis anknüpfen werden.
Apropos USA – Sie haben lange Zeit in einer sehr verantwortungsvollen Position bei SpaceX gearbeitet. Was war damals Ihr stärkerer Antrieb: Eine topmoderne neue Rakete zu entwickeln oder die Vision, multiplanetares Leben zu ermöglichen?
Mein Antrieb hat sich über die fast 20 Jahre bei SpaceX verändert. Am Anfang stellte ich mir die Frage, ob wir eine Rakete mit einem Team von 200 Leuten von Grund auf entwickeln können – das war zuvor nur Regierungen und großen Firmen gelungen. Unsere Antwort war: Ja, können wir. Im späteren Verlauf meiner Tätigkeit wurden für mich die Projekte rund um die Vision von Elon Musk zur Schaffung multiplanetaren Lebens spannender. Elon hat den Plan, bis zum Jahr 2050 für Millionen Menschen ein Leben auf dem Mars zu ermöglichen. Mich fasziniert diese Idee. Ich habe eine Leidenschaft dafür, die großen Fragen des Lebens zu ergründen.
Was denken Sie über den Vorwurf, wir Menschen sollten uns erst einmal um unseren Planeten kümmern und die Erde schützen, als in ferne Welten zu streben?
Das eine schließt das andere nicht aus. Ich denke dabei in verschiedenen Zeiträumen. In den letzten 500 Millionen Jahren gab es fünf große Massensterben, die aufgrund natürlicher Ereignisse, wie dem Einschlag eines Asteroiden, Vulkanausbrüchen und Ähnlichem, stattfanden. Eine multiplanetare Menschheit, auf ferne Welten verteilt, wäre dagegen als Spezies immun. Das ist natürlich für den Fortbestand der Spezies Mensch und die Zivilisation entscheidend. Wir sollten auch bedenken, dass uns alles, was wir über ferne Welten lernen, hilft, auch mit unserem Heimatplaneten besser umzugehen. Unsere Erkenntnisse können in Technologien umgesetzt werden, die saubere Energie erzeugen, bessere Nahrung produzieren und generell weniger Abfall verursachen. Exploration bietet zudem einen ideellen Mehrwert: Die erste Mondlandung hat viele Menschen positiv inspiriert und uns als Menschheit zusammengebracht. Ich denke, eine Marslandung würde das umso mehr tun.
Welchem zukünftigen Ereignis in der Raumfahrt fiebern Sie persönlich entgegen?
Es gibt einige, auf die ich warte – die vollständige Wiederverwendbarkeit von Raumfahrzeugen, die Rückkehr zum Mond, die erste kommerzielle Raumstation und so weiter. Aber das richtig große Ding wäre der erste Mensch auf dem Mars.