Es gibt viele Gründe für eine Rückkehr zum Mond. Am 20. Juli 1969 gelang mit Apollo 11 die erste erfolgreiche Landung von Astronauten auf dem Erdtrabanten. Neil Armstrong und Edwin Aldrin verbrachten aber nur gut zweieinhalb Stunden auf der Mondoberfläche, bevor sie zu ihrer Landefähre zurückkehrten und den Rückweg zur Erde antraten. Erst mit Apollo 15 wurde eine Mission mit verlängerter Verweildauer und stärkerem Fokus auf wissenschaftlichen Aspekten — insbesondere der Geologie – auf den Weg gebracht. Doch schon mit Apollo 17 endete das Programm — vor beinahe 50 Jahren. Zeit also, wieder zu Schaufel und Golfschläger zu greifen. Denn: Der Mond ist nicht nur wissenschaftlich interessant, sondern auch ein hervorragender Ort, um neue Technologien zu erproben.
Die NASA und ihre internationalen Partner – darunter auch die ESA – haben es sich als nächstes Ziel gesteckt, Menschen zum Mars zu bringen. Das erfordert Fähigkeiten, die jetzt entwickelt werden müssen und auf dem Mond zur notwendigen Reife gebracht werden könnten. Der Mond bietet sich als Testumgebung an, denn bis zur Heimat ist es von dort nicht weit — sollte doch mal etwas schiefgehen, rettet ein Rücksturz zur Erde. Die erneute Landung von Menschen auf dem Mond und die Technologieerprobung sind Teil des neuen Vorhabens Artemis — benannt nach der Zwillingschwester von Apollo, der griechischen Göttin der Jagd, des Waldes, der Geburt und des Mondes.
Artemis und das Gateway
Das kurzfristige Ziel von Artemis ist es, die Rückkehr zum Mond einzuleiten. Frühestens 2025 sollen mit Artemis 3 (offiziell Artemis III) die nächsten Menschen dort landen und eine neue Ära der „Forschung vor Ort“ einleiten. Mittelfristig soll eine dauerhafte Präsenz geschaffen werden — eine Präsenz, die das Ziel hat, den nächsten großen Sprung zu ermöglichen: den zum Mars.
Das von der NASA geführte Artemis-Programm besteht aus mehreren Komponenten. Dazu zählen einerseits das Space Launch System (SLS) und die Orion-Kapsel mit dem in Europa gebauten Service-Modul, andererseits aber auch kommerzielle Landefähren und neue Raumanzüge für Oberflächenexpeditionen. Ein Aspekt, der das Artemis- vom Apollo-Programm unterscheidet, sind die Pläne, mit der Raumstation Gateway in der Mondumlaufbahn einen Außenposten der Menschheit einzurichten.
Klar, um auf dem Mond zu landen, braucht man das Gateway nicht. Wieso auch? Neil Armstrong hatte auch keines. Aber: Artemis soll das Apollo-Programm nicht fortsetzen, sondern lediglich darauf aufbauen. Und auch die im Zuge der Nachfolgeprogramme (Apollo-Sojus-Test-Projekt, Skylab, Space Shuttle, Mir und ISS) gewonnenen Erfahrungen sollen in die neuen Missionen einfließen, um ganz neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen. Dafür werden größere Landeapparate, mehr Menschen und mehr Material benötigt — mehr als die verfügbaren Launcher auf einmal in den Weltraum bringen können. Man bringt also alles nach und nach zunächst zum Gateway und von dort dann weiter zum endgültigen Bestimmungsort. Aber das Gateway ist nicht einfach nur ein Umschlagbahnhof. Als von Menschen bewohnte Raumstation wird es auch ein Ort der Forschung sein — ähnlich wie die ISS. Darüber hinaus ist das Gateway ein zentrales Element der Technologieentwicklung im Rahmen von Artemis.
Und auch Armstrong hätte sich am Ende vielleicht über ein Gateway gefreut — hat doch der direkte Anflug seinerzeit die Auswahl der Landeplätze für das Apollo-Programm stark eingeschränkt.
ESPRIT — ein Beitrag Europas zum Gateway
Ähnlich wie die ISS wird das Gateway aus verschiedenen Modulen bestehen, die erst im Mondorbit nach und nach zu einer zusammenhängenden Raumstation zusammengesetzt werden. Die ersten beiden Bauteile, die ins All gebracht werden sollen, sind das PPE (Power and Propulsion Element) und HALO (Habitation and Logistics Outpost). Das PPE stellt einen chemischen und einen solarelektrischen Antrieb zur Verfügung, während es sich bei HALO um ein erstes kleines Habitat handelt. Das PPE und HALO werden (so zumindest der Plan) Ende 2024 gemeinsam auf einer Falcon Heavy gestartet — im Jahr darauf könnten erste wissenschaftliche Experimente eintreffen.
Frühestens 2027 folgt dann das International Habitation Module (I-HAB), welches im Zuge der Artemis-4-Mission angeliefert werden soll und dann die Funktion des hauptsächlichen Habitats der Raumstation erfüllt. I-HAB ist einer von zwei Beiträgen der ESA. Der andere, das European System Providing Refuelling, Infrastructure and Telecommunications (ESPRIT), besteht aus einer Kommunikationsanlage, die auf dem amerikanischen HALO-Modul sitzt, und dem European Refuelling Module, kurz ERM. Einerseits soll das ERM grundlegende Funktionen erbringen: Es bietet Stauraum, transportiert beim Start einiges an Logistik und erlaubt dank seiner Fenster einen Rundumblick auf die Mondoberfläche und andere Gateway-Module. Das ist soweit nicht neu. Aber wie es der Name schon erahnen lässt, geht es beim ERM noch um mehr: Das Modul bringt Treibstoffvorräte mit — und die notwendige Technik, um die Antriebe des Gateway damit bei Bedarf zu betanken. Das klingt zunächst einmal nicht sonderlich anspruchsvoll, ist in der Praxis aber hochkomplex.
Welche Herausforderungen die Betankung einer Raumstation im All mit sich bringt und wie OHB diese Herausforderungen meistert, lesen Sie in Teil 2.