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Eine Kolumne von Marco Fuchs: Gedanken über Zeit und Raum

Europas Sicherheit wird auch im All verteidigt

OHB-Chef Marco Fuchs fordert von der Regierung: „Steht zu Eurem Wort“

11. November 2022. Antonio Guterres, der UN-Generalsekretär, hat mir bei seiner Eröffnungsrede zum Auftakt der Weltklimakonferenz in Ägypten aus der Seele gesprochen. „Wir sind auf dem Highway zur Klimahölle – mit dem Fuß auf dem Gaspedal“, mahnte er. Und sein alarmistischer Tonfall ist mehr als nur angemessen, wenn man sich auf der Welt umschaut. Viel zu lange haben Politiker und auch Wissenschaftler die Folgen des Klimawandels eher nur erwähnt anstatt sie lauthals anzuprangern. Und jetzt ist es eigentlich schon zu spät, die ehrgeizigen Ziele des Pariser Klimaabkommens sind nicht mehr erreichbar.

Dass die Weltklimakonferenz 2022 endet, wenn die alle drei Jahre stattfindende Ministerkonferenz der 22 ESA-Mitgliedsstaaten Ende November beginnt, ist ein interessanter Zufall. Denn die zuständigen Minister dieser weltraumfahrenden Länder Europas sind sich in kaum etwas so einig wie der Tatsache, dass die laufenden Raumfahrtprogramme zur Beobachtung von Veränderungen des Klimas und der Umwelt mit Geld und dem gesamten zur Verfügung stehenden technologischen Instrumentarium fortgeführt und ausgebaut werden müssen. Der Klimawandel und seine Folgen werden nur mit qualitativ besseren Daten und einem tieferen Verständnis des Ökosystems Erde bekämpft werden können. Dazu sind Messungen und Beobachtungen per Satellit unverzichtbar. Auf diese Weise kann die Raumfahrt erneut belegen, welch großer Nutzen von den Technologien ihrer Industrie für die Gesellschaft ausgeht.

Im Dezember mögen die Weltklimakonferenz und die Ministerratskonferenz der ESA-Staaten vorbei sein – die multiplen Krisen, mit denen die Welt aktuell zu tun hat, werden jedoch auch dann noch da sein. So wird es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kaum dazu kommen, dass der Krieg in der Ukraine in wenigen Wochen mit einem Friedensschluss enden wird; aus diesem Grund ist ebenso wenig zu erwarten, dass sich die Bedrohungen von kritischen Infrastrukturen wie Pipelines, Satellitennetzwerken, Stromnetzen und IT-Systemen bis dahin verflüchtigen werden. Und deshalb ist es umso wichtiger, dass sich Europa vor diesen weiter drohenden Gefahren schützt.

Europa muss bei der sicheren Kommunikation autonom werden

Ein solcher Schutz sollte darin bestehen, autonome Systeme aufzubauen im Bereich der sicheren Kommunikation. Das geplante Projekt „Secure Connectivity“ etwa würde dafür sorgen, dass Staaten und Institutionen vor fremden Ohren und Augen geschützt Informationen via Satelliten austauschen können – und zwar auch dann, wenn die Leitungen am Boden durch Krieg oder Sabotage gekappt würden. Ein solches System schafft zudem Autonomie und verringert Abhängigkeiten. Ich halte es für dringend erforderlich, dass Deutschland einen Anteil von mindestens 250 Mio. Euro zu den 750 Mio. Euro an Gesamtkosten des Projekts beiträgt.

Deutschland sollte als eine führende Raumfahrtnation in Europa jedoch auch insgesamt ein robustes Signal für die Technologien im All setzen und seine Beiträge zum ESA-Budget insgesamt erhöhen. Raumfahrt ist einfach viel wichtiger geworden in einer Zeit der unvorhersehbaren Bedrohungen wie etwa dem Krieg in der Ukraine oder den Angriffen auf kritische Infrastrukturen. Ein Teil dieser Infrastruktur ist auch das europäische Satellitennavigationsprogramm Galileo. Es ist wichtig, sich heute schon mit der Technologie der Zukunft zu beschäftigen und an Ideen für eine 3. Generation dieses EU-Programms zu arbeiten. Ähnlich wie beim Programm Secure Connectivity sollte Deutschland sich auch mit relevanten Mitteln am Programm LEO PNT als Technologieerprobungsprojekt einer dritten Generation der Galileo-Satelliten beteiligen. Das zahlt sich doppelt aus: Zum einen übernimmt Deutschland damit durch seinen finanziellen Beitrag Verantwortung für die Sicherheit Europas und seiner Bürger, zum anderen schafft es dadurch den Unternehmen der deutschen Raumfahrtindustrie die Möglichkeit, sehr früh an Forschung und Entwicklung neuer Technologien teilzuhaben.

Deutschland sollte mindesten 4 Milliarden Euro beisteuern

Insgesamt plant die ESA mit einem Budget von rund 18,5 Milliarden Euro für die nächsten drei Jahre – einige Ausgaben daraus laufen allerdings etwas länger. Deutschland sollte nach meiner Ansicht – die allerdings auch weitgehend der Ansicht der deutschen Raumfahrtindustrie im Allgemeinen entspricht – mindestens vier Milliarden Euro zu diesem Budget beisteuern. Mir ist bewusst, dass das über den bisherigen Planungen der Bundesregierung liegt. Doch diese Regierung hat erst kürzlich den Plan für eine Weltraumstrategie vorgestellt und dabei zum Ausdruck gebracht, dass eines ihrer wichtigen Handlungsfelder in der Raumfahrt liegen soll. Deshalb fordere ich die Regierung im Vorfeld der Ministerratskonferenz auf: Steht zu Eurem Wort! Jetzt ist der Moment, um ein starkes Signal für den Raumfahrtstandort Deutschland und Europa, für Forschung und Entwicklung und vor allem für mehr Sicherheit in Europa zu setzen!


Zur Person

Marco Fuchs (Jahrgang 1962) studierte Rechtswissenschaften in Berlin, Hamburg und New York. Von 1992 bis 1995 arbeitete er als Anwalt in New York und Frankfurt am Main. 1995 trat er in das Unternehmen OHB ein, das seine Eltern aufgebaut hatten. Seit dem Jahr 2000 ist er Vorstandsvorsitzender der jetzigen OHB SE und seit 2011 der OHB System AG. Marco Fuchs ist verheiratet und hat zwei Kinder.