© ESA/D. Ducros

Gibt es Leben auf dem Mars? 

Warum das ExoMars-Projekt dieser Frage nachgeht – und was das für die Menschen bedeutet. Selbst ohne grüne Männchen. Ein Gespräch mit Dr. Andreas Winkler von der OHB System AG

Schon seit Jahrhunderten beflügelt der Mars die menschliche Fantasie. Heute gibt es neben vielen Mythen auch wissenschaftliche Erkenntnisse über den roten Planeten. Im Gespräch erläutert Dr. Andreas Winkler, Head of Exploration, Science and Human Spaceflight bei OHB, welche Fragen die nächsten Marsmissionen beantworten sollen.

Herr Dr. Winkler, wieso steht der Mars eigentlich im besonderen Interesse der Weltraumforschung?

Der Mars ist von allen Planeten unseres Sonnensystems der erdähnlichste, schon allein weil seine Umgebung ähnlich wie die der Erde ist. Der Mars ist etwas kleiner als die Erde, er hat eine ähnliche Morphologie, also Beschaffenheit und eine Atmosphäre. Außerdem ist er der für uns am besten erreichbare Planet.

Der Mars hat die Menschheit schon immer fasziniert. Wir wissen heute durch die Sonden, die dort bereits gelandet sind, relativ viel über den roten Planeten. Und es gibt sogar Marssteine auf der Erde: Meteoriten schlugen auf dem Mars auf und lösten dabei Gestein, das dann die Erde erreichte. Wir wissen, dass es flüssiges Mars-Wasser gab und viele Mineralien, die wir von der Erde kennen. Wissenschaftler gehen davon aus, dass es dort vor sehr langer Zeit einen Ozean gab.

Heute sieht der Mars ein bisschen so aus, wie man sich die Erde in Zeiten nach der Menschheit vorstellen kann: ein völlig trockener Wüstenplanet. Es gibt allerdings auch Unterschiede: Der Mars hat zum Beispiel keinen großen Mond wie die Erde. Daher ist die Klimaentwicklung deutlich instabiler als auf der Erde.

Die Aufschlüsse, wie es einmal auf dem Mars ausgesehen haben könnte, sind aber sicher nicht der einzige Grund, aus dem man so brennend daran interessiert ist?

Wir interessieren uns noch aus einem ganz anderen Grund dafür: Die Frage, woher wir Menschen kommen und wie Leben überhaupt entsteht. Entsteht es relativ einfach, wenn Wasser und chemische Ausgangsstoffe vorhanden sind oder ist der Prozess sehr komplex und sehr viele günstige Umweltbedingungen und Langzeitstabilität sind erforderlich?

Sind wir alleine im Universum oder gibt es auch anderswo Leben?

Das sind generelle Fragen der Forschung. Und auch bei OHB gibt es ein eigenes Projekt für dieses Thema. OHB betreibt auch Wissenschaftsprogramme gemeinsam mit der ESA, wir suchen nach erdähnlichen Planeten in anderen Sonnensystemen.

Gibt es Anzeichen für Leben auf dem Mars – heute oder früher?

Die meisten Wissenschaftler gehen nicht davon aus, dass wir noch aktives Leben auf dem Mars finden. Aber es könnte durchaus sein, dass es dort früher einmal Leben gab.

Wenn auf dem Mars Leben entstanden ist, bedeutet dies, dass sich auch an anderen Stellen im Universum Leben bildet. Wir fragen uns: Reichen Wasser, ein erdähnlicher Planet und Mineralien wie auf der Erde als Bedingungen aus?

Könnte man Leben auf den Mars bringen?

Dafür gibt es verschiedene Ideen – beispielsweise Gewächshäuser auf dem Mars anzulegen. Der Marsboden ist zwar nicht besonders gut zur Pflanzenzucht geeignet, aber es wäre grundsätzlich möglich, denn es gibt viele Mineralien. Es gibt natürlich auch Zukunftsideen wie Bioforming: die Bedingungen auf dem Planeten so zu verändern, wie es auch auf der Erde stattfand, als Pflanzen begannen, Sauerstoff zu produzieren.

Verschiedene Forschungsgruppen untersuchen die Möglichkeiten, ob Leben auf dem Mars in Nischen möglich wäre. Sie bilden Marsstaub nach und beobachten, was mit dem Staub unter einer simulierten Marsatmosphäre passiert. Forscher untersuchen, ob unter den dortigen Bedingungen auch Bakterien leben könnten. Es zeigte sich dabei, dass Bakterien in Gesteinsporen tatsächlich relativ gut überleben können.

Es ist sicher schwierig, Leben auf dem Mars anzusiedeln. Aber prinzipiell wäre es möglich.

Es gibt auch Projekte, den Mars zu kolonisieren. Könnten Menschen auf dem Mars leben?

Das dürfte schwierig sein. Das erste Problem für menschliches Leben dort ist das fehlende Magnetfeld. Dadurch trifft die kosmische Strahlung ungefiltert auf die Oberfläche. Das zweite Problem ist die sehr dünne Atmosphäre. Menschen können in ihr nicht atmen, denn es gibt darin keinen Sauerstoff. Wenn sie sich auf der Marsoberfläche bewegen wollen, dann bräuchten sie außerdem spezielle Anzüge. Denn der Sand ist anders als auf der Erde: Er ist durch den Wind gemacht, nicht durch Wasser – und damit sehr scharfkantig. Das heißt, dass er einen normalen Raumanzug regelrecht durchscheuert.

Mit der richtigen Ausrüstung wäre der Mars für Menschen bewohnbar?

Auch dann wäre es schwierig und Menschen hätten damit zu kämpfen, dass sie leichter sind als auf der Erde. Die Schwerelosigkeit ist ein echtes Problem für den menschlichen Körper – dafür sind wir einfach nicht gemacht. Und das ist noch längst nicht alles: Wenn es irgendwann dazu kommt, dass Menschen auf dem Mars leben sollten, werden noch ganz andere Probleme hochkommen, angefangen bei der langen Flugzeit von derzeit neun Monaten. Allein das ist nicht so einfach.

Also versuchen Sie, den Mars noch besser kennenlernen? Was ist das Ziel der nächsten Mars-Mission?

Eines der Hauptziele der aktuellen zweiten ExoMars-Mission ist es, Spuren von Leben zu finden. Dafür wird auch ein Rover landen, der Gesteinsproben entnehmen wird.

Wir wissen, dass wir mindestens zwei Meter tief bohren müssen, wenn wir nach Spuren von Leben auf dem Mars suchen.

Die Oberfläche wird permanent von radioaktiver Strahlung und kosmischer Strahlung bombardiert und die UV-Strahlung der Sonne trifft ungefiltert auf den Mars, denn es gibt keine Ozonschicht. So ist die Oberfläche quasi perfekt sterilisiert. Daher ist das große Ziel, durch Bohrungen in einem Bereich, in dem sich über lange Zeit Leben entwickelt haben könnte, Spuren davon zu finden.

ExoMars-Broschüre (DEU/ENG): Zwei Missionen, ein Programm zur Erforschung des Roten Planeten

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Wie läuft die ExoMars-Mission technisch ab?

ExoMars ist eine Kooperation mit der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos. Ein Carrier, den wir hier in Bremen bauen, bringt die russische Station mit dem Rover zum Mars. Die Landung ist erfahrungsgemäß hochkomplex. Das Landemodul braucht einerseits ein Hitzeschild, um es vor der Atmosphäre des Mars zu schützen, dazu Fallschirme für eine sanfte Landung. Und am Schluss muss es noch mit Bremstriebwerken abgebremst werden.

In der Station befindet sich der Rover. Wenn die Station auf dem Mars gelandet ist, klappt sie auf und der Rover fährt los, während die Station an der Landestelle bleibt. Sie hat russische und europäische Experimente an Bord, unter anderem von unserer belgischen Partnerfirma, Antwerp Space. Der Rover macht eigene Experimente.

Fährt der Mars-Rover autonom oder ist er ferngesteuert?

Der Mars ist für eine Echtzeit-Fernsteuerung zu weit von der Erde entfernt: Es dauert mindestens neun Minuten, bevor ein Signal ihn erreicht, die Antwort dauert dann noch einmal etwa genau so lang, je nachdem wie weit der Satellit von der Erde entfernt ist. Die Rover-Tätigkeiten müssen daher auf der Erde im Voraus geplant werden und die entsprechenden Kommandosequenzen werden an den Rover über Satelliten in der Marsumlaufbahn gesendet. Doch zunächst nimmt der Rover seine Umgebung mit seiner sehr genauen Kamera auf. Wissenschaftler auf der Erde diskutieren dann, wohin er fahren soll und geben die entsprechenden Befehle.

Wir haben bei Mars-Expeditionen natürlich eine begrenzte Transportkapazität. Deshalb ist der Rover nicht so ausgestattet, wie das beispielsweise bei ähnlichen Rovern für den Tiefsee-Meeresboden ist. Wir können bei der Anlage im Weltraum auch nicht die neueste Technologie mit höchster Computerleistung verwenden, denn die Umgebung ist dort zu widrig: Wir haben mit der radioaktiven kosmischen Strahlung zu tun und müssen das System davor schützen.

Welche Experimente führt der Rover durch?

Der Rover führt biologische und mineralogische Experimente durch. Beispielsweise bohrt er und sucht nach biologischem Material. Nahaufnahmen der Umgebung zeigen, wo wir Sedimente vermuten können, der Rover bohrt dann dort bis zu einer Tiefe von zwei Metern. Die gesamte Probenaufbereitung und Analyse findet an Bord des Rovers selbst statt. Auch ein deutsches Instrument vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, Göttingen fliegt mit: der Mars Organic Molecule Analyzer oder MOMA. Er analysiert, ob sich in den Proben organische Moleküle befinden. Denn das könnte ein Hinweis auf Leben sein.

Aber der Mars war bisher immer für Überraschungen gut. Es kann durchaus sein, dass man wieder irgendetwas findet, das man sich überhaupt nicht erklären kann.

Die Anforderungen sind allerdings extrem. Wir müssen verhindern, dass wir von der Erde irgendetwas mitbringen, das wir dann für Mars-Materie halten.

Dafür gibt es klare Regeln: Wir dürfen auf gar keinen Fall Planeten, auf denen potenziell Leben entstehen könnte, mit Erdmaterial verseuchen. Andersherum, müssen wir natürlich vermeiden, etwas zu finden, das wir selbst dahin gebracht haben.

Fällt auf dem Mars dann zukünftig viel Weltraumschrott an?

Das Thema ist nicht so akut wie auf der Erde. In den Erdumlaufbahnen ist das Thema mittlerweile sehr wichtig: Weltraumschrott ist ein Problem und die Internationale Raumstation ISS muss beispielsweise öfter Ausweichmanöver fliegen, um nicht davon getroffen zu werden. Beim Mars sind diese Gefahren relativ gering.

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