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Wie MT Mechatronics mit Radioteleskopen die großen Fragen der Menschheit beantworten hilft

Ein Gespräch über Astronomie, Signale aus dem Weltall – und warum Grundlagenforschung die Wirtschaft und den Tourismus fördert

Bis zu 10 Millionen Menschen besuchen jedes Jahr das chinesische Radioteleskop „FAST“ in der abgelegenen Region Guizhou. In Deutschland hat das Radioteleskop Effelsberg jedes Jahr viele tausend Besucher. Lutz Stenvers, Geschäftsführer von MT Mechatronics erläutert, welche Herausforderung der Bau eines Teleskops mit sich bringt und warum wir in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren mit bahnbrechenden Erkenntnissen rechnen können – die auch unsere bisherige Weltsicht in Frage stellen könnten.

Herr Stenvers, Astronomie fasziniert sehr viele Menschen – warum?

Einerseits ist es die Technik selbst: Moderne Radioteleskope faszinieren allein durch ihre Größe, seien es die riesigen Schüsseln oder die wachsenden Arrays – Felder mit hunderten und bald tausenden von mobilen Teleskopen.

Andererseits sind es die grundlegenden Fragen, die die Menschheit seit jeher beschäftigen – und unsere Fantasie beflügeln. Auf diese Fragen können wir mithilfe von Teleskopen Antworten finden.

Welche Fragen kann ein Teleskop denn beantworten?

Es sind Jahrhunderte alte Fragen der astronomischen Forschung:

Woher kommen wir? Wie sind die Menschheit und das Leben entstanden? Wohin bewegen sich Galaxien? Beschleunigt sich das Universum?

 

Diese Fragen versuchen Wissenschaftler mit Messinstrumenten wie einem Teleskop zu beantworten, indem sie das Universum damit beobachten.

Die Griechen haben die Erde, Himmel und Sterne noch mit bloßen Augen beobachtet, Messungen angestellt und daraus Schlüsse gezogen. Mit Galileo Galilei, der 1609 mit einem Fernrohr den Himmel beobachtete, begann dann eine neue Ära der optischen wissenschaftlichen Beobachtung.

In den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts kamen Radioteleskope hinzu. Sie empfangen Radiowellen. Heute nutzen wir alle diese Instrumente zusammen. Optische Teleskope und Radioteleskope ergänzen sich und geben ein umfassenderes Bild des Universums und seiner Anfänge. Denn mit einem Teleskop schauen wir immer in die Vergangenheit und versuchen, dem Ursprung des Universums auf den Grund zu gehen.

Was ist das Besondere an einem Radioteleskop?

Mit Teleskopen empfangen wir die elektromagnetische Strahlung aus dem Universum, angefangen beim Licht. Viele Sterne sind aber umhüllt von Staub und Gaswolken. Sie lassen sich optisch nicht beobachten. Radiostrahlung durchdringt jedoch auch diese Staub- und Gaswolken, deshalb können wir verhüllte Sterne im Radiobereich betrachten. Bei Frequenzen von 350 Megahertz bis 20 Gigahertz erforschen wir die sogenannten kalten Teile des Universums.

Inwiefern blicken wir mit Teleskopen in die Vergangenheit?

Wenn wir auf der Erde ein Signal empfangen, das aus hundert Millionen Lichtjahren Entfernung kommt, dann ist es auch hundert Millionen Jahre unterwegs gewesen. Was wir sehen, zeigt uns die Vergangenheit. Je genauer und besser die Instrumente werden, desto weiter entfernt kann man den Ursprung des Universums verfolgen.

Welche Rolle spielt MT Mechatronics bei diesen Teleskopen?

MT Mechatronics als Teil von MT Aerospace baut seit mehr als 50 Jahren Teleskope für wissenschaftliche Anwendungen der Astronomie und ist eine sehr erfahrene Gruppe. Wir haben schon fast auf jedem Kontinent Teleskope und Antennen gebaut.

Aktuell ist MT Mechatronics an zwei der größten Astronomieprojekte der nächsten Dekade beteiligt. Im Radiofrequenzbereich ist es das SKA – das Square Kilometre Array.

Wir simulieren einen riesigen Antennendurchmesser, indem wir einzelne Antennen nebeneinander aufstellen und dadurch eine höhere Auflösung bekommen. Das SKA wird eine Gesamtsammelfläche von etwa einem Quadratkilometer haben – und damit das größte erdgebundene Observatorium der Welt sein.

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Es hat über 3.000 Einzelantennen, die über Interferometrie. Das SKA-Projekt ist im Moment in der Entwicklungsphase und wird mit Prototypen abgeschlossen. Die empfangenen Signale korrelieren wir über einen Supercomputer miteinander.

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Ein Supercomputer – das müssen sie erklären...

Ja, für dieses Teleskop wird der schnellste Rechner der Welt gebaut. Die Antennen sammeln so viele Daten, dass heutige Rechner schnell an ihre Grenzen kommen: Das Teleskop produziert täglich mehr als doppelt so viele Daten wie an einem Tag im gesamten Internet ausgetauscht werden.

Die Signale müssen zusammen verarbeiten werden, und Big Data stellt uns da vor große Herausforderungen. Deshalb wird parallel der Rechner extra dafür entwickelt. Der erste Teil wird derzeit in der südafrikanischen Wüste getestet.

Wieso stehen die Teleskope an so entlegenen Orten?

Die Teleskope müssen störungsfrei empfangen können. Daher stehen sie beispielsweise in der Atacama-Wüste in Chile, in Südafrika oder in den Wüsten Chinas. Die Standorte werden jahrelang ausgewählt und vermessen. Die südafrikanische Regierung hat offiziell eine störungsfreie Zone für das geplante SKA-Observatorium eingerichtet. Der Vorteil des Standorts ist, dass jegliche Störstrahlung so weit wie möglich ausgeschlossen ist. Kommunikationssignale durch Handy, Fernsehen oder Radio werden in dieser Region komplett geblockt.

Störungsfreie Regionen sind gleichzeitig sehr weit entfernte Orte, an denen möglichst keine Menschen leben. Es ist dort nicht einmal erlaubt, einen normalen Computer zu öffnen oder ein Tablet in die Hand nehmen. Allein die Strahlung der CPU, des Hauptprozessors, würde die Empfindlichkeit der Antennen stören.

Gibt es auch Anwendungen für diese Forschung?

Eigentlich ist Astronomie Grundlagenforschung, die Instrumente haben auch keinen weiteren Nutzen oder Dual Use...

 

Wer sind dann die Auftraggeber für diese Projekte?

Es sind Institutionen wie beispielsweise Universitäten, die diese internationalen Projekte wie das SKA durchführen. Aber sie sind so groß, dass ein Staat allein es sich gar nicht leisten kann, deswegen sind sehr viele Länder involviert, und wir arbeiten international.

Welches Interesse haben Staaten, diese Grundlagenforschung zu finanzieren?

Gerade Schwellenländer haben daran ein großes Interesse, denn wissenschaftliche Teleskope sind ein Magnet, sie erreichen ein riesiges Publikum. Die Entwicklung und der Bau sind gleichzeitig eine Technologieförderung für das Land. Man braucht ja nicht nur den Stahl, sondern auch etwa die Empfängersignale und andere spezielle Bauteile und einen riesigen Ingenieursstamm, der daran arbeitet.

Forschung wird also auch genutzt, um einen Hochtechnologie-Wirtschaftszweig im jeweiligen Land zu pushen.

 

Die Chinesen haben das bisher größte Teleskop in einem Stück – also nicht in der Array-Technologie – in einem Gebiet in China installiert, in dem vorher nicht viel passierte. Durch den Bau des Teleskops gibt es dort jetzt einen riesigen Tourismuszuwachs. Millionen Chinesen besuchen das Teleskop jedes Jahr.

Die chinesische Regierung nutzt die Entwicklung für die Förderung ihres technologischen Sektors, als Strukturförderung und für den Tourismus.

Astronomie erlebt also aktuell einen Boom?

Ja. Im Moment ist das Interesse an der Astronomie gestiegen, wir haben eine absolute Boomphase.

Wir werden in den nächsten 10 bis 20 Jahren gleichzeitig viele neue Instrumente bekommen. Deshalb können wir davon ausgehen, dass wir immer besser verstehen, woher wir eigentlich kommen.

 

Man kann es vielleicht vergleichen: Vor mehreren Jahrhunderten haben die Menschen noch geglaubt, wir wohnen auf einer Scheibe. Man kann fast erwarten, dass es auch demnächst Entdeckungen gibt, über die noch unsere Nachkommen sprechen.

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