Einen besonders guten Überblick über die Erde erhält man von einem weit entfernten Punkt aus – etwa von einem Satelliten, der unseren Planeten umkreist. Während optische Satelliten dabei auf einen wolkenlosen Himmel angewiesen sind, liefern Satelliten, die mit Synthetic Aperture Radar (SAR) arbeiten, bei Tag und Nacht und jedem Wetter sehr genaue Bilder – sogar bei einer geschlossenen Wolkendecke.
Was kann das System SAR-Lupe von OHB?
Die SAR-Lupe ist Deutschlands erstes satellitengestütztes Aufklärungssystem und wurde von OHB im Auftrag der Bundeswehr entwickelt. SAR-Satelliten arbeiten mit einem sogenannten Synthetic Aperture Radar (SAR). Dies ist ein Radar, der die Erdoberfläche mit elektromagnetischen Wellen abtastet und aus den entstandenen Daten eine zweidimensionale Darstellung des Erdausschnitts erstellt. SAR-Bilder haben eine sehr hohe Auflösung und sehen Fotos ähnlich. Mit der entsprechenden Kenntnis können sie gut interpretiert werden. Einige Besonderheiten muss man allerdings kennen: Bei Aufnahmen von Objekten auf Meeren etwa können doppelte Strukturen zu erkennen sein, weil das Signal vom Objekt selbst reflektiert wird, zum Teil aber auch aufs Wasser gelenkt und von dort wieder an den Satelliten zurückgeworfen wird.
Radar ist auch bei Nacht und Nebel einsetzbar
Der große Vorteil beim Einsatz von SAR: Tageszeit und Wetterverhältnisse spielen keine Rolle. Denn elektromagnetische Wellen, die beim Radar zum Einsatz kommen, durchdringen Wolken und Nebel und liefern auch bei Dunkelheit detaillierte Aufnahmen. Der Satellit sendet elektromagnetische Radarsignale aus, die auf der Erde auftreffen und sofort reflektiert werden. Der Satellit empfängt dann das reflektierte Radarsignal.
Aufklärungsprogramme sind in der Regel nationale Programme. Sie werden jedoch oft kooperativ genutzt, indem im Rahmen bestehender Zusammenarbeiten Daten ausgetauscht werden. Beispielsweise werden die Bodensegmente von SAR-Lupe und dem französischen optischen Aufklärungssystem Helios II in einem Systemverbund genutzt.
Satellitenaufklärung hat vielfältigen Nutzen – über militärische Anwendungen hinaus
„Aufklärungsprogramme dienen dazu, Entwicklungen weltweit bereits frühzeitig zu erkennen und möglichen Krisen bereits präventiv zu begegnen. Die Bilder können helfen, die Lage zu erkennen und zu reagieren, noch bevor es zu Problemen kommt“, sagt Tino Zehetbauer, Direktor für satellitengestützte Aufklärungsprogramme bei der OHB System AG. „Durch ein eigenes Aufklärungssystem, kann die Regierung eines Landes sich ein unabhängiges Bild machen und ist nicht auf die Information Dritter angewiesen.“
Einige Länder setzen bei Satellitendaten auf ein Dual-Use-System, also ein System, das sowohl für hoheitliche als auch kommerzielle Anwendungen eingesetzt wird. Das macht die Anwendung zwar ökonomischer – allerdings kann es wegen der eingeschränkten Nutzungszeiten mitunter länger dauern, bis die gewünschten Informationen zur Verfügung gestellt werden. Daher kann es vorteilhaft sein, ein eigenes System für die Satellitenaufklärung aufzubauen.
An welchen Informationen der Auftraggeber interessiert ist, kommt auf den Anwendungsfall an. So ist beispielsweise im Katastrophenfall auf Satellitenaufnahmen zu erkennen, ob Straßen befahrbar sind. Allerdings sind Radarbilder keine Fotos – deshalb muss man einen Schritt zurück machen und analysieren, was tatsächlich abgebildet ist. Eine genaue Auswertung und Referenzpunkte sind dabei wesentlich zum Verständnis des Bildes.
Die fünf Satelliten der SAR-Lupe im Zusammenspiel liefern ein sehr einheitliches Bild – was die Auswertung enorm erleichtert.
10 Jahre fehlerfreier Betrieb
Satelliten werden bereits am Boden getestet, um ihre Leistungsfähigkeit zu überprüfen. Für die SAR-Lupe wurde zusätzlich zu den vorgeschriebenen ESA-Tests eine eigene Prüfung entwickelt, der sogenannte Inverstest. Dabei wurden die Satelliten auf der Erde auf die Internationale Raumstation ISS ausgerichtet und nahmen Radarbilder von der Station auf. Da die ISS in allen Einzelheiten bekannt ist, konnte anhand der Qualität der Radaraufnahmen die Genauigkeit und Zuverlässigkeit des Systems geprüft werden.
Die sorgfältige Design-Planung, der Bau, die Tests und die Qualitätskontrollen trugen dazu bei, dass die fünf Satelliten des SAR-Lupe-Projekts im November 2017 10 Jahre fehlerfrei in Betrieb waren.
Nun muss das System erneuert werden
Die Satelliten der SAR-Lupe sind auf eine Lebensdauer von mindestens zehn Jahren ausgelegt.
Die Lebensdauer ist nicht nur durch das Tankvolumen der Satelliten begrenzt. Jeder Satellit ist im Weltraum harten Bedingungen ausgesetzt, dadurch altern die Materialien und die Leistung nimmt ab. Daher müssen Satelliten am Ende ihrer Lebensdauer ausgetauscht werden.
Damit nach dem Ablauf der Lebensdauer der SAR-Lupe-Satelliten für den Betreiber keine Fähigkeitslücke entsteht, wird es einen Nachfolger geben. Das Anschlussprojekt SARah ist auf weitere zehn Jahre ausgelegt.
Was ist das Besondere an den SAR-Systemen von OHB?
Das Projekt SAR-Lupe wurde im Zeit- und Kostenrahmen umgesetzt und funktionierte während der gesamten Laufzeit einwandfrei. In der Regel wird ein Satellit nach dem Bau an den Käufer übergeben. Bei SAR-Lupe ist es anders. Zehetbauer betont: „Vom ersten Design über den Bau, die Inbetriebnahme im Weltraum, die Steuerung bis hin zur Entsorgung realisierte OHB mit SAR-Lupe ein gesamtes System.“ Das wird beim Nachfolgeprojekt SARah genauso sein.
Durch die Entwicklung der SAR-Satelliten hat OHB System eine Expertise im Bereich der SAR-Satelliten aufgebaut und bietet auch kommerzielle und institutionelle hochauflösende Erdbeobachtungssysteme im sichtbaren, Infrarot und Radar-Bereich an. Mögliche Einsatzgebiete sind etwa Katastrophenmanagement, Sicherheitsanwendungen sowie humanitäre Hilfseinsätze – alle Anwendungen eben, bei denen es auf einen präzisen Überblick ankommt.