Der Winter hatte uns lange fest im Griff. Genau die richtige Zeit, um auf einen Arbeitsplatz in den Tropen zu blicken. Auf dem Weltraumbahnhof in Französisch-Guayana arbeiten rund 1.400 Menschen. Einer von ihnen ist der Galileo-Launch-Campaign-Manager Dr. Alain Pajonk. 2006 zieht es den gebürtigen Lyoner von der Seine an den Kourou River, als ihm damals die MT Aerospace einen interessanten Job anbietet. Seither lebt und arbeitet der 46-Jährige mit seiner Familie im schwülen und sonnigen Nordosten Südamerikas.
Als das Angebot für Alain Pajonk kommt, die Leitung der Abteilung Physikalische Labore und eines 24-köpfigen multikulturellen Teams in Kourou zu übernehmen, ist Ehefrau Eugénie anfangs skeptisch. Das Land hat nicht den besten Ruf: Moskitos, Krankheiten wie Denguefieber, gefährliche Tiere und hohe Luftfeuchtigkeit. Zudem ist das jüngste von vier Kindern, Sohn Samuel, gerade erst geboren. Der Hausarzt rät der jungen Mutter ab. Doch Alain Pajonk kennt das Land, war bereits vor 25 Jahren zu den glorreichen Zeiten der Ariane 4 für die französische Luft- und Raumfahrtagentur CNES vor Ort. Seine guten Erinnerungen und der Wunsch der Familie nach einem Leben in der Natur räumen schließlich letzte Zweifel aus.
Und so nimmt der begeisterte Karateka im Januar 2006 seine Arbeit in den Tropen auf. Mit überdurchschnittlichem Einsatz betreibt er mit seinem Team die physikalischen Messeinrichtungen und –instrumente auf dem Weltraumbahnhof. Über 4.000 Kalibrierungen pro Jahr – vom Shock-Monitoring bei Ankunft der Satelliten bis hin zu letzten Tests unter der Nutzlastverkleidung kurz vor dem Start – fallen in seinen Verantwortungsbereich.
Arbeiten in Kourou bei 30 Grad Celsius und hoher Luftfeuchtigkeit
In den klimatisierten Gebäuden kann man das tropisch schwüle Klima leicht vergessen, „aber sobald du rauskommst, kannst du nicht ignorieren, dass du dich dicht am Äquator und im Regenwald befindest“, berichtet der Hobbymusiker. Bei konstanten 30 Grad Celsius und hoher Luftfeuchtigkeit scheint die Sonne mit 2.000 Watt pro Quadratmeter, und die Regenschauer bringen mitunter zehn Zentimeter Wasser in weniger als einer Stunde mit sich. Der Arbeitsrhythmus in Kourou ist dementsprechend ans Klima angepasst, gerade weil einige Team-Mitarbeiter sich den äußeren Konditionen stellen müssen. „So effizient wie unter europäischen Wetterbedingungen kann man hier einfach nicht sein“, sagt Alain Pajonk. An die Hitze hat sich die Familie schnell gewöhnt: mit Ventilatoren, einem kleinen Pool im Garten und Wochenendausflügen an den Kourou River.
Doch das Klima hat auch sein Gutes: die atemberaubende Natur Amazoniens mit seiner beeindruckenden Artenvielfalt. Auf seinem 15-minütigen Arbeitsweg von Downtown Kourou zum Weltraumbahnhof begegnet Alain Pajonk des Öfteren Faultieren, Affen oder Gürteltieren. Im eigenen Garten bieten häufig schillernde Kolibris und große grüne Iguanas ein Naturschauspiel.
Auch die Kinder fühlen sich richtig wohl. Samuel ist in den Tropen aufgewachsen und mittlerweile zwölf Jahre alt. Seine Schwestern Sarah (17) und Angela (20) waren beim Umzug ebenfalls noch jung und genießen das freiere Leben in der Natur und an einem Ort, in dem mit rund 25.000 Einwohnern weit über zwei Millionen weniger Menschen leben als in Paris. Die älteste Tochter, Rabiatou, ist 25 Jahre alt und studiert „Marketing & Sales“ in Lyon. Die Highschool in Kourou sei in Ordnung, berichtet Pajonk, aber das Studienangebot ist begrenzt. Auch Angela ist deshalb letztes Jahr zurück nach Frankreich zum Studieren.
Der Umzug ist für die ganze Familie berufsbedingt ein ständiger Begleiter. Der Entsendungsvertrag mit der MT Aerospace wäre 2012 ausgelaufen. Es gab bereits Gespräche über einen Wechsel nach Chile in die Atacama Wüste, um für das Projekt ALMA zu arbeiten. Die Koffer waren schon fast gepackt, doch Mitte 2012 kommt es zu einer schicksalhaften Begegnung. Alain Pajonk soll den Galileo-Projektmanagern von OHB System berichten, wie MT Aerospace sie bei den Galileo-Satellitenstarts unterstützen kann. Seine Präsentation und Erfahrung aus über 80 Kampagnen sind derart überzeugend, dass er seit April 2013 als Galileo Launch Campaign Manager in Kourou eingesetzt ist.
Das Angebot kam zur richtigen Zeit, denn die Familie kann sich gut vorstellen, noch ein bisschen länger in Französisch-Guayana zu bleiben. Eugénie betreibt seit einigen Jahren erfolgreich eine Boutique, in der sie neben Kleidern auch kunstgewerbliche Artikel wie Skulpturen und Masken aus ihrer Heimat, der Elfenbeinküste, verkauft. Nachdem Samuel in den Kindergarten ging, hat die Germanistin eine neue Herausforderung gesucht und sich mit dem Geschäft selbstständig gemacht.
Eine bessere Lebensqualität als in einer Metropole
Es sei zwar nicht das Paradies, aber was die Pajonks sich ursprünglich vom Leben in den Tropen versprochen haben, haben sie gefunden: eine bessere Lebensqualität, als eine Metropole sie zu bieten hat, weniger Zeit mit Fahrtwegen vergeuden, näher an der Natur sein, weniger Umweltverschmutzung und mehr Geselligkeit und Freundlichkeit, als sie in der Anonymität der Großstadt zu finden ist. Ein typisches Wochenende im Hause Pajonk spielt sich mit Freunden in den Carbets (strohgedeckten Holzhütten) am Kourou River ab.
Manchmal stehen Ausflüge zu den benachbarten Inseln wie den Îles du Salut auf dem Programm. Die ehemalige französische Strafkolonie liegt rund 15 Kilometer vor der Küste und ist weltberühmt geworden durch den Roman und die Verfilmung „Papillon“. Wanderungen durch den Regenwald, Besuche des Nachbarlandes Surinam oder des brasilianischen Grenzgebiets sowie Spaziergänge am Atlantik gehören ebenso zur Freizeitgestaltung der Pajonks.
Was sie dafür aufgegeben haben, ist die physische Nähe zur Familie. Gerade die Großeltern werden von ihren Enkelkindern sehr vermisst und natürlich die beiden Töchter, berichtet Alain, dem ebenso das kulturelle Angebot wie Theater, Oper oder klassische Konzerte und die Alpen zum Mountainbikefahren fehlen. Auch die vier Jahreszeiten, insbesondere der Winter mit Schnee, zahlen zu den Dingen, die die Familie nach knapp zwölf Jahren in den Tropen gerne mal wieder erleben würde. Doch noch hat der Sommer sie fest im Griff.
PERSÖNLICHE INFORMATIONEN
Alain Pajonk wird im August 1971 in Lyon, Frankreich, geboren. Nach seiner Promotion in „Thermal, Thermodynamics and Energy Sciences“ wird er Teamleiter bei der Zodiac Aerospace Intertechnique in Paris. Zeitgleich lernt er seine heutige Frau Eugénie kennen. Geboren in Bouaké, Elfenbeinküste, studiert sie zu der Zeit Germanistik in Mainz und ist zu Besuch bei ihrer Schwester in Paris, wo die beiden sich erstmals treffen. Das Paar lebt danach zusammen in Paris, adoptiert die afrikanischen Mädchen Rabiatou und Angela und bekommt Sarah. Sohn Samuel wird geboren, als das Angebot der MT Aerospace kommt, in Französisch-Guyana zu arbeiten. Seit 2006 lebt Familie Pajonk in Kourou.